piwik no script img

Brechmittel-Monument am Theater

Mit einer mobilen Gedenkbox erinnert das Theater Bremen an die tödliche Praxis der Zwangsvergabe von Brechmitteln an mutmaßliche Drogenhändler. Ein Mahnmal für Laye-Alama Condés Tod fehlt weiterhin

Bremen wartet seit 13 Jahren auf ein Mahnmal staatlicher Folterpraxis

Von Jens Fischer

Eine tagespolitische Offensive startet das Theater Bremen: Direkt neben dem Eingang zum großen Opernerlebnis im Theater am Goetheplatz steht ein mobiles Mahnmal, das an tödliche Folgen Bremer Politik erinnert. Laye-Alama Condé starb 2005 durch staatlich verordnete Brechmitteleinnahme, die nach einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs gegen das in Artikel 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention formulierte „Verbot der Folter“ verstößt.

„Zwischen 1991 und 2006 ist in Bremen die Brechmittelvergabe 1.400 Mal durchgesetzt worden“, sagt Gundula Oerter, Sprecherin der Condé-Gedenk­initiative. Ihr fehlt die Aufarbeitung des Falls. Nachdem Polizeipräsident Lutz Müller sich bereits frühzeitig entschuldigt hatte, 2016 auch Alt-Bürgermeister Henning Scherf seine Reue bekundete, wünscht sich Bremens Theaterintendant Michael Börgerding, dass „die Ärztekammer und die Bremer Bürgerschaft sich auch der Verantwortung stellen“.

Oerter fordert einen festen Gedenkort. Vom Landesdenkmalpfleger bereits abgelehnt worden sei der Plan, den vorgestellten Entwurf eines Mahnmals gegenüber der Kunsthalle zu errichten, sagte die Ortsamtsleiterin Mitte, Hellena Harttung. Der Beirat hatte daher eine Wanderausstellung zum Thema vorgeschlagen und die Bürgerschaft aufgefordert, endlich zu klären, was sie wo wolle. Die Grünen bringen am 13. Februar eine große Anfrage ein.

Das Theater, so Börgerding, will „die Installation temporär beherbergen, so lange es noch keinen dauerhaften Gedenkort in der Stadt gibt“. Zuvor war sie am Sielwall, im Schlachthof und Lagerhaus sowie vor einem Internetcafé platziert. „Sie ist wetterfest und Vandalen-sicher“, sagt Oerter. Wer eine Kurbel in Bewegung versetzt und damit Strom erzeugt, erfährt in hörbar werdenden Audiodateien mehr über die Nacht, in der Condé starb, und hört Interviews mit Menschen, die Brechmittel einnehmen mussten.

Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen

Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen