: Gefährliche Nascherei
Hoch konzentrierte Waschmittel-Pads kommen vermehrt auch auf den deutschen Markt – und sehen ein wenig aus wie Weingummi. Das birgt Risiken insbesondere für Kinder
Von André Zuschlag
Sie sind klein, rundlich und bunt und wirken auf manche Kinder mitunter wie essbare Süßigkeiten: Waschmittel-Pads mit hoch konzentriertem Inhalt. Einen solchen Pad hatte unlängst Helmut Hansen aus Wolfsburg in seinem Briefkasten. Zwischen der restlichen Post bemerkte er die unverlangt erhaltene Warenprobe zunächst nicht, legte erst mal alles in seiner Küche ab. Sein vierjähriger Neffe war zu Besuch, durchstöberte die Post und war gerade dabei, die Werbesendung aufzureißen – um daran zu naschen. Hansen bemerkte das gerade noch rechtzeitig.
Der Junge habe „auf eine Briefsendung von seiner Mutter“ gewartet, erzählt Hansen, „und hielt diesen grünblauen Pad wohl für so etwas wie Weingummi“. Dass Waschmittel von Kindern ferngehalten werden soll, ist dem Wolfsburger durchaus bewusst. Dass ihm aber so ein Waschmittelprodukt unaufgefordert per Post zugeschickt wird: Damit hatte er nicht gerechnet.
Nicht nur Verbraucher wie Hansen halten diese Waschmittel-Pads für bedenklich, zumal, weil sie in Deutschland noch relativ unbekannt sind. Werden sie verschluckt, kann das konzentrierte Pad-Waschmittel erhebliche gesundheitliche Folgen haben, bis hin zu einer chemischen Lungenentzündung. Besonders hoch sind die Risiken für kleine Menschen: „Wenn Kinder mal am herkömmlichen Waschmittelpulver nippen, ist das üblicherweise nicht ganz so schlimm“, sagt Martin Ebbecke vom gemeinsamen Giftinformationszentrum (GIZ) der Länder Bremen, Hamburg, Niedersachsen und Schleswig-Holstein Nord mit Sitz in Göttingen.
Über seinen Giftnotruf (☎ 0551/192 40) erteilt das GIZ 24 Stunden am Tag Auskünfte zu Vergiftungs- oder Vergiftungsverdachtsfällen. Rund 100 Anrufe gehen täglich ein, von Privatleuten, aber durchaus auch von Krankenhäusern.
Im Gegensatz zum „nicht ganz so schlimmen“ herkömmlichen Waschmittel stellen die neuartigen Pads aus Sicht des Göttinger Toxikologen ein größeres Problem dar: „Einerseits sind in diesen Pads hoch konzentriertere Lösungen als im üblichen Waschmittelpulver. Außerdem ist es wahrscheinlich, dass das bunte Aussehen dieser Pads attraktiver für Kinder wirkt“, sagt Ebbecke. In Deutschland sind die Pads noch ein neues Produkt, in Südeuropa allerdings schon länger auf dem Markt. „In Italien bereitet das bereits große Sorgen“, sagt Ebbecke. Dort habe es in den vergangenen Jahren immer wieder Fälle gegeben, in denen Kinder durch den Kontakt mit den Pads erkrankt seien.
Auch für die Bundesrepublik hat das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) schon errechnet, dass die Waschmittel-Pads achtmal häufiger an als mittelschwer eingestuften Vergiftungsfällen beteiligt sind als herkömmliches Waschmittel. Und eine Studie aus den USA kam im Frühjahr 2017 zu dem Ergebnis, dass dort mittlerweile jede vierte Augenverletzung bei Kleinkindern auf Waschmittel-Pads zurückgehe. Das BfR ist derzeit an einer Studie der Europäischen Kommission beteiligt, welche die Wirksamkeit der bisherigen Sicherheitsmaßnahmen untersucht – und die Möglichkeiten für zusätzliche Schritte.
Die verschickten Waschmittelproben seien so eingeschweißt, dass kleine Kinder sie nicht öffnen könnten, sagt Melanie Fischer, Sprecherin des Konzerns Procter & Gamble, Hersteller unter anderem der „Ariel“-Produkte. Zudem befinden sich mehrere Warnhinweise auf den Verpackungen. „Wir haben Vorsorge geleistet“, folgert Fischer. Dennoch plane man eine Kampagne über Sicherheit im Haushalt. Dass Waschmittel nicht in der Reichweite von Kleinkindern sein solle, liege vor allem in der Verantwortung der Eltern. Der US-amerikanische Procter-&-Gamble-Konzern gehört zu den größten Unternehmen der Welt.
Für Helmut Hansen, den Waschmittelprobe-Empfänger aus Wolfsburg, ist die Sache dennoch beunruhigend. „Man rechnet ja nicht damit“, sagt er, „dass einem so etwas unaufgefordert zugesendet wird.“
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