: Vollgeld, voll geil?
Wir wollen auf dem taz lab auch über „Vollgeld“ diskutieren: Was genau ist das und macht es Geld demokratischer?
Von Ulrike Herrmann
Die nächste Finanzkrise kommt bestimmt; da sind sich alle Experten einig. Auf der Welt gibt es zu viel Geld, das nur erzeugt wird, um mit Derivaten und Wertpapieren zu spekulieren. Aber wie lässt sich diese Finanzflut wieder eindämmen? Viele Experten und Bürger schwören auf ein Konzept namens „Vollgeld“. In der Schweiz findet in diesem Jahr eine Volksabstimmung statt, um dort ein Vollgeld-System durchzusetzen.
Der Kern der Idee: Die Banken würden entmachtet. Sie sollen nicht mehr – wie heute – in der Lage sein, Geld aus dem Nichts zu schöpfen, indem sie Kredite vergeben. Stattdessen sollen allein die Zentralbanken entscheiden, wie viel Geld es gibt.
Momentan geben die Zentralbanken nur die Geldscheine aus, die etwa zehn Prozent der Geldmenge ausmachen. Der große Rest ist das Buchgeld auf den Girokonten, das von den privaten Banken erzeugt wird. Geld entsteht schnell und schlicht: Wenn eine Bank einen Kredit gewährt, dann bucht sie bei ihrem Kunden diese Summe aufs Konto – und schon ist neues Geld in der Welt.
Im Vollgeld-System wäre dies ganz anders: Die Notenbank würde auch das Buchgeld produzieren und dann verteilen, indem diese Summen direkt in den Staatshaushalt fließen – oder auch gleich auf die Konten der Bürger. Charmanter Nebeneffekt: Nicht mehr die Banken würden Milliardengewinne verbuchen, indem sie Geld kreieren, sondern diese „Seignorage“ würde direkt der Allgemeinheit zugute kommen.
Trotz alledem kontrovers
Es klingt wie eine schöne neue Welt. Die Schweizer Vollgeld-Initiative verspricht beispielsweise, endlich würden „echte Franken“ produziert und nicht nur elektronisches Geld. „Diese Verbesserung entlastet die Steuerzahler und die Realwirtschaft und bringt allen deutlich mehr Sicherheit.“
Aber es sind nicht nur Basis-Initiativen, die für die Geld-Revolution trommeln. Das Vollgeld hat inzwischen prominente Befürworter: Der Internationale Währungsfonds (IWF) hat das Vollgeld genauso empfohlen wie der sehr einflussreiche britische Finanzjournalist Martin Wolf.
Allerdings gibt es auch viele gewichtige Gegenstimmen. In der Schweiz haben Nationalrat, Bundesrat und Ständerat das Vollgeld bereits abgelehnt, noch bevor die Entscheidung der Volksabstimmung feststeht: Vollgeld sei ein „brandgefährliches und unnötiges Experiment“.
Wer hat recht? Das wollen wir auf dem taz lab mit zwei prominenten Vollgeld-Experten diskutieren. Der Österreicher Christian Felber hat das Konzept der Gemeinwohl-Ökonomie entwickelt und ist vom Vollgeld überzeugt, das er zu einem „Souveränen Geld“ weiterentwickelt hat. Felber sagt: „Mit dem Vollgeld würde das Geld endlich demokratisch.“
Mit ihm diskutiert der Wiener Ökonom Stephan Schulmeister, der das Vollgeld ablehnt. Diese Reform würde das Finanzsystem nicht etwa stabiler machen – sondern noch instabiler. Schulmeisters Fazit: „Das Vollgeld wäre ein gut gemeintes Fiasko.“
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