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Barriere der Angst überwinden

Unabhängige Journalisten forcieren den Kampf gegen das Establishment

Von Hesam Misaghi

Ich scrolle den im Iran bekannten Telegram-Kanal nach unten. Farid Moussavi, ein Parlamentsabgeordneter aus Teheran behauptet über seinen offiziellen Twitter-Account, es sei ihm „gesagt worden, dass die meisten der inhaftierten Studenten vorbeugend verhaftet worden seien“.

Ein Beitrag berichtet über die Aussage des Kommandeurs der Revolutionsgarden von Teheran: „Unser neues Projekt startet bald.“ Freiwillige Basidsch-Soldaten würden jeden Bezirk überwachen. Der nächste Beitrag berichtet über die Streiks der Arbeiter von Hepco Arak, deren Löhne seit fünf Monaten nicht bezahlt wurden. Ich suche verzweifelt nach einem Beitrag, der Hoffnung in mir aufkeimen lässt. Einige Posts weiter sehe ich das Bild des 22-jährigen Sina Ghanbari, der am 6. Januar 2018 im Evin-Gefängnis ermordet wurde. Die Behörden behaupten, dass „er Suizid begangen“ habe. Mit seiner runden Brille schaut Sina neugierig in die Kamera und lächelt. Was er ausstrahlt, ist offenbar Hoffnung und auf keinen Fall Suizidgedanken. Ich frage mich, ob es noch eine Hoffnung gibt.

Von Ende Dezember 2017 bis Anfang des neuen Jahres fanden im Iran die größten Demonstrationen seit der Präsidentenwahl 2009 statt. Sie richteten sich unter anderem gegen stark gestiegene Preise, die Arbeitslosigkeit und die fehlende Freiheit.

Ich suche mit Hilfe des geheimen Chats den Kontakt mit den Autoren von Gilan-Oja, einer unabhängigen Monatszeitschrift, die im Nordiran und in der Provinz Gilan veröffentlicht und in verschiedenen Städten der Provinz, sowie auch in Teheran verbreitet wird. Gilan-Oja veröffentlichte bisher 16 Ausgaben. Das Hauptthema des letzten Exemplares war „Gewalt gegen Frauen.“ Ich frage die Autoren von Gilan-Oja, ob sie trotz der Unterdrückung, Inhaftierung und Zensur die Hoffnung behalten und fortfahren würden. „Wir starteten unsere Initiative mit Hoffnung, aber auch mit Furcht. Trotz der Einschränkungen bleiben wir an der Seite des Volkes, weil wir der Meinung sind, dass Intellektuelle nicht die Menschen und ihre Anliegen allein lassen sollen. Intellektuelle sollen ihre Position klar definieren. Der Titel eines unserer aktuellen Artikel ist ‚Objektiv bleiben, ist nicht objektiv‘“.

Weiter fragte ich, was die Hauptgründe dieser Demonstrationen sind. „Seit Längerem beobachten wir Streiks der Arbeiter, Lehrer, Krankenpfleger und von Banken Geschädigter. Durch diese Proteste erhoben Arbeiter und unterdrückte Schichten ihre Stimme. Privatisierung und Kommerzialisierung der öffentlichen Dienste, Inkompetenz beim Umgang mit natürlichen Ressourcen, administrative und wirtschaftliche Korruption und umfangreiche Zensur der Kritiker erzeugten tiefe Gesellschafts- und Umweltkrisen. Solange dies so bleibt, erwarten wir weitere Proteste.“

„Die Gründungsidee einer Zeitschrift wie Gilan-Oja entstand aus der Erkenntnis, dass wir als Journalisten die manipulative Funktion der etablierten Medien infrage stellen. Wir möchten die Menschen miteinander verbinden. Wir möchten die Barriere der Angst überwinden und die Journalisten an ihre Möglichkeiten erinnern. Als Zeitschrift dienen wir den Arbeitern, Frauen und Jugendlichen. Landwirtschaftliche Kooperativen, einheimische Einsätze für die Umwelt, Frauen, Streiks der Arbeiter, Selbstständigkeit und ethnische Sprachen wie Gilaki bestimmen unsere Hauptthemen.“

Ich könnte den Autoren von Gilan-Oja unendlich lange zuhören. Die Existenz so einer Initiative bestärkt den Gedanken, dass Hoffnung und Mut im Iran weiterleben.

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