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„Bei Bildungszentralismus würden wohl alle Länder gleich schlecht abschneiden“

Die scheidende KMK-Präsidentin Susanne Eisenmann (CDU) aus Baden-Württemberg verteidigt den Föderalismus in der Schulpolitik. Dass eine Große Koalition die strikte Trennung zwischen Bund und Ländern weiter abbauen will, sieht sie skeptisch

Schulhund Rudi in einer Grundschule in Sachsen Foto: Waltraud Grubitzsch/dpa/picture alliance

Interview Ralf Pauli

taz: Frau Eisenmann, geht es nach Union und SPD, soll das Kooperationsverbot in der Bildungspolitik zwischen Bund und Ländern weiter aufgeweicht werden. Der Bund gibt mehr Geld, und ein nationaler Bildungsrat soll eingerichtet werden. Wie finden Sie das?

Susanne Eisenmann: Zunächst muss man festhalten: Die Kultushoheit bleibt bei den Ländern. Das ist ein positives Signal. Und wie ein nationaler Bildungsrat ausgestaltet sein soll, ist derzeit noch völlig unklar. Ich glaube nicht, dass ein solches zusätzliches Gremium unsere bestehenden Probleme lösen wird. Mit der KMK haben wir bereits eine Institution, in der wir länderübergreifend an Lösungen arbeiten. Diese Zusammenarbeit müssen wir stärken.

Aber an der Grundstruktur wollen Sie nicht rütteln?

Wir müssen uns als Kultusministerkonferenz weiterentwickeln. Wir müssen stärker sehen, welche Probleme über die einzelnen Länder hinausgehen und uns alle betreffen, wie etwa die Lesekompetenz an der Grundschule. Wir müssen uns auch stärker bei den Lösungen absprechen: Welche Leseförderprogramme sind evaluiert, welche funktionieren? Ein solches strukturiertes Voneinanderlernen muss in der Kultusministerkonferenz stärker in den Mittelpunkt rücken.

Von Ihrer Amtszeit als Präsidentin der Kultusministerkonferenz (KMK) dürfte vor allem das schlechte Abschneiden deutscher SchülerInnnen bei zwei internationalen Studien – IGLU und die Studie vom Bildungsinstitut IQB – hängen bleiben. Ärgert Sie das?

Die beiden Vergleichsstudien standen völlig zu Recht im Mittelpunkt. Sie zeigen einen klaren Handlungsbedarf für Deutschland auf. Die Leistungen deutscher Schüler stagnieren und fallen deshalb im Vergleich mit anderen Ländern ab. Stagnation heißt aber Rückschritt. Deshalb müssen wir jetzt daran arbeiten, die einen Bundesländer mehr, die anderen weniger.

Wenn der Handlungsbedarf in den Bundesländern unterschiedlich hoch ist: Wie viel Gestaltungsraum hat dann eine KMK-Präsidentin, sagen wir: bei der Verbesserung der Unterrichtsqualität an Schulen?

Jedes Bundesland kann von den 15 anderen lernen – im Guten wie im Schlechten. Das bringt voran. Mein Bundesland Baden-Württemberg, hat bei dem aktuellen Leistungsvergleich schlecht abgeschnitten, was uns im Land alle schockiert hat. Dank des Föderalismus können wir sehen, was Länder wie Bayern, Sachsen, Hamburg oder Schleswig-Holstein anders und offensichtlich besser gemacht haben. Das ist die Stärke unseres Systems. Ein Bildungszentralismus aus Berlin hätte nur zur Folge, dass alle gleich schlecht abschneiden.

Und eine KMK mit 16 MinisterInnen und möglichen 16 verschiedenen Ansätzen ist so viel besser?

Foto: privat

Susanne Eisenmann ist Kultusministerin in Ba-Wü, war ein Jahr lang KMK-Vorsitzende.

Wir haben in der letzten Sitzung über diesen Punkt gesprochen. Das war wenige Tage nach Veröffentlichung der IGLU-Studie. Da haben wir über die Bundesländer hinaus Handlungsbedarf festgestellt. Der erste Schritt wird sein, zu evaluieren: Wie funktioniert Leseförderung in welcher Altersgruppe? Was klappt bei der Stärkung der Rechtschreibkompetenz? Wir werden demnächst klären, wie wir diese Fragen in eine Struktur bekommen und welche Rolle dafür etwa ein weiterentwickeltes IQB einnehmen kann. Momentan überprüft es nur, evaluiert aber nicht im Sinne von: Das funktioniert und das nicht. Und es berät auch die Bundesländer bislang nicht in der Umsetzung möglicher Maßnahmen. Wir wollen besprechen, wie das IQB für diese Aufgaben personell und inhaltlich weiterentwickelt werden muss.

Kann der Bund bei dieser Frage helfen?

Ein Bildungszentralismus kann nicht auf regionale Besonderheiten und Notwendigkeiten Rücksicht nehmen. Deshalb schließt sich dieser Weg aus.

Aber Sie arbeiten doch schon mit dem Bund zusammen, nur nicht sehr erfolgreich. Beim Ausbau der digitalen Infrastruktur warten die Schulen seit über einem Jahr auf die versprochenen 5 Milliarden Euro vom Bund. Wissen Sie, wann das Geld endlich fließt?

Während meiner Amtszeit hat die KMK Handlungsgrundlagen für die Verteilung des Geldes entwickelt und mit dem Bund Eckpunkte vereinbart. Ob die 5 Milliarden Euro aber kommen und wofür sie wie eingesetzt werden, weiß keiner. Realistisch gedacht können diese Punkte frühestens Mitte des Jahres geklärt werden. Bis es zu einer Umsetzung kommt, reden wir von Ende 2018, Anfang 2019. Wenn das ein Beispiel dafür sein soll, dass eine zentrale Steuerung aus Berlin besser funktioniere, dann ist das ein schlechtes Beispiel.

Läuft denn die Zusammenarbeit unter den Ländern reibungslos? Ich denke da an die Parteizugehörigkeit …

Das war für mich eine positive Überraschung. Ich hatte vor meiner Berufung als Kultusministerin in Baden-Württemberg im Mai 2016 wenig Vorstellung über die KMK insgesamt. Meine Erfahrung war dann: Die Gespräche sind über Parteigrenzen hinweg konstruktiv und offen. Ich schätze zudem, dass ich einen Kollegen anrufen und fragen kann: Wie läuft dieses oder jenes Förderprogramm bei euch, und dann auch eine ehrliche Antwort bekomme.

„Baden-Württemberg hat beim Leistungsvergleich schlecht abgeschnitten. Dank des Föderalismus sehen wir, was andere Länder besser gemacht haben“

Wirklich? Bestimmte Bildungsfragen – etwa: Gemeinschaftsschule stärken oder das Abitur nur am Gymnasium anbieten – sind für die Parteien doch quasi dogmatisch.

Ganz einfache Antworten sind in der Bildungspolitik aus meiner Sicht generell immer fehl am Platz. Wir haben Bundesländer mit einem stabilen dreigliedrigen System mit Hauptschule, Realschule und Gymnasium wie in Bayern, und solche, die wie Schleswig-Holstein sehr viel mehrgliedriger sind und sich dennoch stabil entwickeln. Die Frage ist also nicht zwingend, in welcher Struktur mache ich etwas, sondern welche Qualität steckt in dieser Struktur. Die IQB-Studien bestätigen, dass diese Frage nicht allein über den Bildungserfolg entscheidet.

Sieht das Ihr Nachfolger möglicherweise anders? Helmut Holter ist der erste linke Kultusminister im Amt des KMK-Präsidenten.

Auf den Sitzungen, die wir bisher gemeinsam hatten, habe ich ihn als Kollegen schätzen gelernt, der sich aktiv an den Diskussionen beteiligt. Das Thema Demokratie und Bildung, das er als Schwerpunkt seiner Präsidentschaft gewählt hat, ist wichtig und richtig. An den Zielen, die sich Herr Holter für uns gemeinsam vorgenommen hat, wird er konsequent arbeiten. So habe ich ihn kennengelernt.

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