die dritte meinung
: Die deutsche Biobranche sollte sich von ihrer Wachstumsdoktrin lösen, sagt Anne Baumann

Anne Baumann ist Presse­referentin bei der Assoziation ökologischer Lebensmittelhersteller (AÖL).

Die Ausbeutung des Planeten hält an. Alternative Konzepte zu unserem Wirtschaftssystem, das nur auf Wachstum ausgelegt ist und die weltlichen Ressourcen mehr als erschöpft, scheinen Mangelware. Wie können wir diese scheinbar unaufhaltsame Entwicklung stoppen? Die Biobranche ist in den 60er Jahren als Umweltbewegung angetreten, um der Ressourcenverschwendung etwas entgegenzusetzen.

Mit Erfolg: In einer Welt nachhaltiger Wirtschaftskreisläufe vom Bauern bis zum Endkunden schien alles möglich. Die Branche verzeichnet ein Jahreswachstum von rund zehn Prozent. Mittlerweile ist der Markt für Öko-Lebensmittel von der Nachfrage getrieben. Doch was bedeutet das Wachstum für die Biobranche und ihr nachhaltiges Selbstverständnis? Eine Frage, die sich die Assoziation ökologischer Lebensmittelhersteller (AÖL) im Kritischen Agrarbericht 2018 stellt, der am Donnerstag auf der Internationalen Grünen Woche vorgestellt wurde.

Aufgrund der steigenden Nachfrage nach Bio-Lebensmitteln müssen immer mehr Rohstoffe nach Deutschland importiert werden. Solange wir zu jeder Zeit die volle Produktpalette im Supermarktregal vorfinden wollen, wird sich daran wenig ändern. Seitdem Bio auch in den USA boomt, wird die Situation auf den internationalen Beschaffungsmärkten nicht einfacher. Bio-Standards, die durch die Bio-Verordnung festgelegt sind, geraten unter Druck.

Sollten Öko-Unternehmen nicht Vorreiter sein für eine „nachhaltige Ökonomie“, obwohl das dem erklärten Ziel der Branche von „100 Prozent Bio“ entgegensteht? Zumindest müssen wir darüber sprechen, welche alternativen Ansätze es zur bisherigen „Wachstumsdoktrin“ gibt. Die Politik sollte dafür die Rahmenbedingungen schaffen: Die aus konventioneller Lebensmittelproduktion entstehenden Umweltschäden sollten sich in den Verbrau­cherpreisen widerspiegeln. Vielleicht wäre beispielsweise der nationale Wohlfahrts­index eine Alternative zum Bruttoinlandsprodukt, an dem das volkswirtschaftliche Wachstum gemessen wird.