Hetze in Berlin: Aufmerksamkeit für Antisemitismus
Der israelische Restaurantbetreiber, der am Dienstag wüst beschimpft wurde, erhält viel Anteilnahme, bekommt aber auch weiter Drohungen.
Gegen den Mann, der am Dienstag in Schöneberg einen israelischen Restaurantbetreiber minutenlang antisemitisch beschimpft hat, ermittelt der polizeiliche Staatsschutz jetzt wegen Volksverhetzung, Beleidigung und Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte. Eine Polizeisprecherin gab außerdem bekannt, der Mann sei bereits zuvor polizeilich in Erscheinung getreten, allerdings nicht mit antisemitischen Delikten. Zu den Details der Ermittlungen macht die Polizei, wie bei laufenden Verfahren üblich, keine Angaben.
Der Restaurantbetreiber Yorai Feinberg erfährt unterdessen viel Anteilnahme. Seine Freundin hatte den Vorfall gefilmt, das Video wurde im Internet tausendfach angeklickt, zahlreiche Medien berichteten. Unter den Reaktionen, die er nun erhalte, seien nicht nur positive, insgesamt aber hätten ihm die vielen Solidaritätsbekundungen gezeigt, dass auf einen schlechten Menschen 500 gute kämen, sagte Feinberg dem Berliner Kurier.
Bundesjustizminister Heiko Maas verurteilte den Vorfall auf Twitter. „Den Brandstiftern dürfen wir nie das Feld überlassen. Denn erst kommen die Worte, dann die Taten“, schrieb der SPD-Politiker. „Diese abscheuliche Attacke macht erneut deutlich, dass Antisemitismus in der Mitte der Gesellschaft angekommen ist und mittlerweile offen und unverblümt artikuliert wird“, sagte Josef Schuster, Präsident des Zentralrats der Juden, in der Jüdischen Allgemeinen. Der israelische Botschafter Jeremy Issacharoff hatte das Restaurant Feinbergs bereits am Donnerstagnachmittag besucht.
In dem Video ist zu sehen, wie der 60-jährige Passant Feinberg und seine Freundin, die zum Rauchen vor dem Lokal stehen, minutenlang beschimpft. Dabei fallen Sätze wie: „Es geht nur ums Geld bei euch“, „Niemand schützt euch“ und „Ihr werdet alle in den Gaskammern landen“.
Laut Feinberg ist es nicht das erste Mal, dass er in Berlin antisemitisch beschimpft wird. Seit Eröffnung seines Restaurants bekomme er etwa zweimal im Monat Drohanrufe und Schmähbriefe. Laut Polizeistatistik wurden im ersten Halbjahr 2017 in Berlin 197 antisemitische Straftaten erfasst, gegenüber dem Vorjahreszeitraum ist das ein Anstieg um mehr als 70 Prozent.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Hoffnung und Klimakrise
Was wir meinen, wenn wir Hoffnung sagen
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Slowakischer Regierungschef bei Putin im Kreml
Rechte Gewalt in Görlitz
Mutmaßliche Neonazis greifen linke Aktivist*innen an
Spiegel-Kolumnist über Zukunft
„Langfristig ist doch alles super“
Lohneinbußen für Volkswagen-Manager
Der Witz des VW-Vorstands
Krieg in der Ukraine
„Weihnachtsgrüße“ aus Moskau