Manfred Kriener über den Abriss einer Kirche für Braunkohleförderung: Dom und Klima in Trümmern
Als Greenpeace am Sonntag den Dom von Immerath besetzte und den Abriss des Gotteshauses um einige Stunden verschob, war es kurz nach sechs Uhr, auf anderen Uhren war es fünf nach zwölf. Der „Rückbau“ war nicht mehr zu verhindern, Bagger, Abrissbirne und Polizeihundertschaften standen bereit.
Immerhin hat Greenpeace noch einmal den komplett aus der Zeit gefallenen Irrwitz des Braunkohletagebaus in die Schlagzeilen gezerrt. 2018 werden immer noch Dörfer umgesiedelt, Kirchen geschleift, Friedhöfe verlegt, sechsspurige Autobahnen weggebaggert und ganze Kulturlandschaften für den dreckigsten aller Energieträger umgegraben, den niemand braucht.
Der Kohleausstieg ist auf der großen politischen Bühne angekommen; er ist ins Zentrum der Klima-, Umwelt- und Energiepolitik gerückt. Die Trümmer des zerbröselten Doms von Immerath fallen punktgenau in die Sondierung zur neuen Groko. Es ist typisch für die SPD, dass in ihrem Sondierungspapier der Kohleausstieg ignoriert wird. Die Partei erscheint nicht nur als intellektuelle, sondern zunehmend auch als ökologische Wüste. Kohleschützer Sigmar Gabriel verhindert aus dem Machtzentrum Kurskorrekturen.
Die Frage ist, wie viel politische Unterstützung die Eigendynamik, die der Kohleausstieg entfaltet, noch braucht. Mitten im Herzen des Lausitzer Braunkohlelands werden die Stadtwerke Cottbus ihr großes Heizkraftwerk von Braunkohle auf Erdgas umrüsten. Mehr Symbolkraft geht nicht. Andere Stadtwerke folgen. Das Totschlagargument der Arbeitsplätze verfängt immer weniger: Es sind noch 12.000, die in der deutschen Braunkohle arbeiten.
Aber wer den Kohleausstieg ignoriert, der kümmert sich auch nicht um Auffangprojekte für die Braunkohlearbeiter.
Ist Immerath der letzte Ort, der für die Braunkohle plattgemacht wurde? Braunkohle ist das neue Atom. Sie schadet nicht nur dem Erreichen der Klimaziele, sie beschädigt auch unseren politischen Verstand.
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