heute in bremen: „Im Iran geht es um ganz harte Interessen“
Andreas Zumach, arbeitet seit 1988 am Sitz der Vereinten Nationen in Genf als Korrespondent unter anderem für die taz
taz: Machen Sie heute eine General-Abrechnung mit der Außenpolitik in der Welt, Herr Zumach?
Andreas Zumach: Es ist zumindest eine deutliche Warnung vor der dramatischen Verschärfung der globalen Konflikte um den Iran, Nord-Korea oder auch Jerusalem als Hauptstadt Israels. Derzeit gibt es gemeinsame Kriegs-Vorbereitungen der USA, Israels und der wahhabitischen Königsdiktatur in Saudi-Arabien gegen den Iran. Da wird immer mehr Öl ins Feuer gegossen, Trumps Erklärung Irans zum gemeinsamen Hauptfeind erhöht das Risiko eines Krieges in der Region. Zugleich ist die EU unfähig, überhaupt eine eigene Haltung dazu zu entwickeln und aktive Außenpolitik zu machen. Sie ist mit rechtspopulistischen Bewegungen und inneren Zerreißproben konfrontiert und bietet keine Alternative zu den gefährlichen Entwicklungen der internationalen Politik. Und Staaten wie Ungarn oder Polen stellen sich unverholen hinter die Trump-Administration.
Kann die UNO da eingreifen?
Dazu müsste sie sich erst einmal zusammenraufen. Als es um die Anerkennung Jerusalems als Hauptstadt Israels ging, gab es eine Resolution im Sicherheitsrat, die Trumps Politik mit einer Mehrheit von 14:1 verurteilt hat – am Ende ist das natürlich am Veto der USA gescheitert. Die USA sind in der UNO weitgehend isoliert, aber es entsteht daraus keine praktische Politik. Zugleich werden die Vereinten Nationen von Donald Trump erpresst, indem die Gelder für Friedens- oder Blauhelm-Missionen, aber auch der reguläre Etat drastisch gekürzt wurden. Die Verwaltung der UNO ist jetzt zwar unter Druck, aber sie duckt sich eher weg.
Bleibt noch jemand, der da Einhalt gebieten könnte?
Einige Linke setzen ja auf eine aktivere Rolle Russlands als geopolitische Mittelmacht. Aber ich bin sehr skeptisch, wenn da vom Ausgleich konkurrierender Machtinteressen die Rede ist. Und wenn es um die Annexion der Krim geht, ist Russlands Politik sehr fragwürdig. Ich denke nicht, das Putin ein Anwalt der Gerechtigkeit sein kann. Auch China kommt meines Erachtens nur sehr bedingt als Akteur in Frage, zumal das Land nicht meine Werte vertritt. Zwar betreibt China eine deutlich vernünftigere Klimapolitik als die USA, in Afrika beispielsweise betreibt China aber eine offen imperialistische Politik. Daneben gibt es noch andere fragwürdige Regime, die den starken Mann markieren, etwa das türkische. Die Türkei, Bündnispartner der Nato, wird zur Diktatur und führt Krieg gegen die Kurden. Leider hat sich die EU ohne Not von der türkischen Regierung erpressbar gemacht, etwa in der Flüchtlingspolitik.
Wie nahe ist ein Krieg mit dem Iran?
Unter den derzeit schwelenden Konflikten ist die Gefahr eines Krieges hier meines Erachtens derzeit am größten, auch wenn die Rhetorik in der Auseinandersetzung mit Nordkorea viel schärfer ist. Mir macht das derzeit am meisten Sorge! Im Iran geht es um ganz harte Interessen sowohl in Saudi-Arabien, als auch in Israel und den USA. Und in der Trump-Administration gibt es eine ganze Reihe von erklärten Iran-Feinden oder sogar Iran-Hassern.
Vortrag und Diskussion: Trump zündelt, Europa taumelt, Nahost im Aufruhr: 19 Uhr, sfd Bremen, Dammweg 18-20, Eintritt frei
Wie sollte die Außenpolitik jetzt auf die inneren Unruhen im Iran reagieren?
Ganz nüchtern betrachtet: Sanktionen haben sich als untaugliches Mittel der Politik erwiesen. Die nützen überhaupt nichts. Man sollte ganz klar die demokratischen Kräfte im Iran fördern. Und um das eigene Volk hinter sich zu scharen, kann dem iranischen Regime nichts besseres passieren als ein äußerer Feind, der mit Krieg droht.
Interview Jan Zier
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen