: Verdächtige Prävention
Ein Mitarbeiter einer Beratungsstelle gegen islamische Radikalisierung in Hildesheim wird des Antisemitismus verdächtigt. Präventionsrat ist alarmiert, Landtag eingeschaltet
Von Jean-Philipp Baeck
Wie unterbindet die Landesregierung Antisemitismus in staatlich geförderten Beratungsstellen? Mit dieser Frage wird sich der niedersächsische Landtag beschäftigen. Hintergrund ist der Fall eines Mitarbeiters der „Beratungsstelle gegen Radikalisierung und Demokratiefeindlichkeit“ in Hildesheim, die von der Caritas betrieben wird. Ihm wird vorgeworfen, antisemitische Postings bei Facebook verbreitet zu haben, während er in seiner Präventionsarbeit auch Islamophobie und Antisemitismus vorbeugen soll. Die FDP-Fraktion hat deshalb nun eine Kleine Anfrage eingereicht.
Diskutiert wurde über die Postings des Mannes bereits im Jahr 2016: Damals hatte ein Seminar an der Hildesheimer Hochschule für angewandte Wissenschaft und Kunst für Aufregung gesorgt, weil dort antiisraelische und antisemitische Materialien unkritisch verwendet wurden (taz berichtete). Der Mann sollte im Zuge der Affäre eine Lehrauftrag übernehmen, wurde dann aber von der Rektorin Christiane Dienel abgesetzt, weil er auf seiner Facebook-Seite Plakate gepostet haben soll, auf denen der Davidstern mit dem Hakenkreuz in Verbindung gebracht, Israel als „kolonialer Siedlerstaat“ bezeichnet und zum Boykott der „israelischen Apartheid“ aufgerufen wurde, wie unter anderem die Welt berichtete. Die Rektorin musste damals wegen der Affaire ihren Posten räumen.
Nun arbeitet der Mann bei der Caritas und soll Fortbildungen zur Radikalisierungsprävention organisieren. Der Vorstand des Caritasverbandes Hildesheim bewertete die Facebook-Postings gegenüber dem Politikjournal Rundblick als „misslungene Politsatire“, jedoch nicht als antisemitisch intendierte Äußerungen. Der Mitarbeiter selbst sehe diese Bilder inzwischen ebenso kritisch und habe sie gelöscht. Ihm sei ein „laxer Umgang mit Facebook vorzuwerfen, aber keine radikalen Ansichten“.
Dem Landespräventionsrat, der beim niedersächsischen Justizministerium angesiedelt ist, und über den die Finanzierung der Beratungsstelle läuft, reicht diese Auskunft nicht. Er bestellte die Caritas für Dienstagnachmittag zu einem Gespräch ein. „Aus unserer Sicht muss gelten, dass menschenfeindliche Äußerungen in keine Richtung toleriert werden“, erklärte Marika Tödt, Sprecherin des Justizministeriums. Gleichwohl müsse der Einzelfall geprüft werden. Von den Kooperationspartnern müssten die Grundsätze der freiheitlich demokratischen Grundordnung eingehalten werden. Die Arbeit gegen Menschenfeindlichkeit müsse stets „auch im Bewusstsein für das besondere Verhältnis Deutschlands zum Staat Israel“ stattfinden.
Eine gut funktionierende Prävention gegen Radikalisierung wäre dabei in Hildesheim besonders nötig. Die Stadt gilt als einer der sechs Brennpunkte des radikalen Islamismus in Niedersachsen – neben Braunschweig, Wolfsburg, Göttingen, Hannover und Osnabrück. Seit 2013 hat sich die Zahl der Salafisten in Niedersachsen laut Landeskriminalamt von 330 auf 800 mehr als verdoppelt.
In Hildesheim war zuletzt vor allem der salafistische Verein „Deutschsprachiger Islamkreis“ im Visier der Behörden. Er wurde im März verboten und aufgelöst. Bereits im November 2016 war dort bei einer Durchsuchung der als Prediger auftretende Abu Walaa festgenommen worden. Gegen den Iraker und weitere Mitangeklagte läuft derzeit ein Prozess vor dem Oberlandesgericht Celle. Die Bundesanwaltschaft hält ihn für die zentrale Führungsfigur der IS-Terrormiliz in Deutschland. Sein Netzwerk soll junge Menschen islamistisch radikalisiert und in die IS-Kampfgebiete geschickt haben.
Die Präventionsstelle war in Hildesheim erst im Oktober 2017 gestartet. Multiplikatoren, etwa von muslimischen Gemeinden, sollen weitergebildet und Schulen und Kitas in der Präventionsarbeit unterstützt werden. Laut der Deutschen Presse-Agentur war der Antrag auf Förderung im Rahmen des Bundesprogrammes „Demokratie leben“ des Bundesfamilienministeriums zunächst abgelehnt worden. Die Caritas habe für das Projekt 260.000 Euro bis zum Jahr 2019 beim Bund beantragt, rund 80 Prozent der geplanten Gesamtinvestition. Die übrige Summe wollte die Stadt Hildesheim finanzieren. Das Landes-Demokratiezentrum soll die Finanzierung kurzfristig gesichert haben.
Mit Material von dpa
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