: Seit 1953: Vier Schanzen, die das Land bewegen
Von Markus Völker
Es müssen derbe, erdverbundene Typen gewesen sein, die das Fliegen zum Jahreswechsel erfunden haben. Sie hießen Putzi Pepeunig, Beppi Hartl, Franz Rappenglück oder Alfons Huber, und ihre Flugshow auf den Schanzen von Oberstdorf, Garmisch-Partenkirchen, Innsbruck und Bischofshofen nannten sie im Jahre 1953 „Deutsch-Österreichische Springertournee“. Es war damals eine ziemlich spinnerte Idee. Den Gründungsvätern war nicht klar, dass sie mit der Tournee eine Wettkampfserie ins Leben gerufen hatten, die zum Großevent heranwachsen sollte.
Sie sollte, wie die Süddeutsche Zeitung 2001 schrieb, zu einer „dieser verlässlichen Größen im bürgerlichen Alltag der wachsenden Bundesrepublik“ werden. Die Vierschanzentournee gehört mittlerweile zum Jahreswechsel dazu wie Punsch, gute Vorsätze, Dinner for One und das Konzert der Wiener Philharmoniker. Kurzum: Die Vierschanzentournee ist ein Fixpunkt für jahresendmüde Bundesbürger, die auf dem Sofa nicht mehr die Familie, sondern einfach nur noch Sport genießen wollen.
Früh erkannte die ARD das enorme Potenzial der Tournee. Sie übertrug 1956 zum ersten Mal, wie ebenso dürre wie waghalsige Männer sich vom Bakken katapultierten. Die Bedeutung der Wettkämpfe wuchs von Jahr zu Jahr. Und gerade im Osten war die Fangemeinde groß, was vielleicht auch daran lag, dass so viele DDR-Springer die Tournee-Wertung gewannen: Horst Queck, Rainer Schmidt und Hans-Georg Aschenbach, Jochen Danneberg, Manfred Deckert und Jens Weißpflog. Der Hänfling aus dem Erzgebirge gewann gleich vier Mal.
Ein anderer Springer des Deutschen Ski-Verbandes hält einen ganz besonderen Rekord: 2001/02 gewann Sven Hannawald als erster und bisher einziger Springer alle vier Tournee-Wettbewerbe, also jeweils das Springen auf der Schattenbergschanze in Oberstdorf, das Neujahrsspringen auf der 2007 komplett umgebauten Olympiaschanze in Garmisch-Partenkirchen, überdies die Weitenjagd auf dem Bergisel in Innsbruck und das Finale auf der Paul-Außerleitner-Schanze in Bischofshofen.
Es war die Zeit, in der das Skispringen in Deutschland einen Boom erlebte, wie Tennis nach dem Wimbledon-Sieg von Boris Becker. Die TV-Quoten schnellten nach oben, RTL schlachtete den Sport kommerziell aus. Es war die Geburtsstunde des Wintersports als Fernsehsport. Ein Held dieser Zeit hieß Janne Ahonen, der große Flieger aus Finnland. Er gewann die Tournee fünf Mal. Das hat außer ihm noch keiner geschafft.
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