taz-Adventskalender (4): „Kraft finde ich bei Bach“
Die taz präsentiert in ihrem Adventskalender BerlinerInnen, die für etwas brennen. Hinter Türchen Nummer vier: Privatisierungskritikerin Ulrike von Wiesenau.
„Privatisierung kommt vom lateinischen privare, das heißt: berauben. Die Privatisierung der öffentlichen Daseinsvorsorge, seien es die Autobahnen auf Bundesebene oder jetzt in Berlin die Schulbauten, die der rot-rot-grüne Senat in eine privatrechtliche GmbH überführen will, bedeutet genau das: die Veruntreuung von öffentlichem Gemeingut.
Das ist ein elementarer Vertrauensverlust in die Politik, den die Bürger da erfahren. Die öffentliche Daseinsvorsorge ist ja nichts weniger als das Kronjuwel der Demokratie: Besitz bedeutet Teilhabe, Mitbestimmung – Autobahnen mögen manchem ja vielleicht noch egal sein, aber spätestens, wenn es um die Schulen geht, kann man nicht mehr schweigen.
Ich glaube, die Diskussion darüber in der Stadt kommt trotzdem so schwer in Gang, weil jeder so sehr in seinem Alltag gefangen ist. Dazu ist es kein leichtes Thema: Was bedeutet das, eine formale Privatisierung von Schulgebäuden? Aber es ist eine wichtige Debatte, weil sie uns alle betrifft.
Selbst im Parlament hat es bisher keine ernsthafte Diskussion zu der Schulbau-GmbH nach den Plänen des Finanzsenators [Matthias Kollatz-Ahnen (SPD), d.Red.] gegeben. Was mich sehr empört: dass ausgerechnet die Linke das Projekt mitträgt, obwohl man mit dem Verkauf der Wohnungsbaugesellschaft GSW schon schlechte Erfahrungen gemacht hat.
Ulrike von Wiesenau
54, ist freie Konzertorganistin und Pianistin. Sie engagiert sich bei der Initiative Gemeingut in BürgerInnenhand und ist Pressesprecherin des Berliner Wassertischs.
Die Privatisierungsbremse, die die Linke nun in der Berliner Landesverfassung verankern will, ist in meinen Augen nur eine Nebelkerze, mit der der Parteivorstand die Kritiker ruhigstellen will. Jedenfalls ist die Basis durchaus nicht zufrieden mit der Überführung von Schulen in eine GmbH: In den Kreisverbänden realisiert man erst jetzt, was da passiert. Ich bin optimistisch, dass die Debatte noch an Fahrt aufnimmt.
Natürlich kostet es Kraft, sich so zu engagieren – vor allem, wenn der Gegner übergroß scheint. Ich glaube, es sind vor allem Wut und oft auch ein Schuss Hybris, die mich antreiben. Dazu die Selbstvergewisserung, dass man sich nicht alles gefallen lässt.
Ich bin Pianistin, die Kraft zum Weiterkämpfen finde ich bei Bach. In seinen großen Fugen ist der Horizont weit. Denn manchmal ist es zum Verzweifeln: Selbst wenn man die besseren Argumente hat, hat der Gegner vielleicht die stärkere Lobby. Aber das letzte Wort ist noch nicht gesprochen. An die Rekommunalisierung der teilprivatisierten Berliner Wasserbetriebe, die wir 2011 mit dem Wasser-Volksentscheid erkämpft haben, haben bis zuletzt auch nur wenige geglaubt. Protokoll: Anna Klöpper
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