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Kritik am Meldesystem

Hamburgs Jugendämter müssen auch nach kleinen Diebstählen Kindeswohlgefährdung abklären

Von Kaija Kutter

Die Meldungen über Kindeswohlgefährdungen steigen und steigen. Gingen 2007 noch rund 6.700 Hinweise bei den Jugendämtern ein, hat sich diese Zahl bis 2016 auf 13.910 mehr als verdoppelt. „Diese hohen Steigerungsraten sind gewollt“, sagt Sozialbehördensprecher Marcel Schweitzer. „Wir haben eine ‚Kultur des Hinsehens‘ entwickelt.“ Jugendämter bekämen die Chance, Hilfebedarf zu erkennen, besonders bei kleinen Kindern.

Sabine Boeddinghaus und Mehmet Yildiz von der Linken hatten daran Zweifel und schrieben eine Anfrage. „Das Meldesystem ist leider ineffektiv“, sagt Boeddinghaus, nachdem die Antwort kam. „Die Meldungen sind so unspezifisch, dass sie sich bei 90 Prozent nach Prüfung erledigen.“

Und die Statistik zeigt: Je älter die Kinder werden, desto häufiger gibt es eine Meldung. Mehr als die Hälfte der Hinweise, die Jugendämter 2016 zu klären hatten, betraf Jugendliche über 14 Jahre. Und das Gros der Meldungen kommt von der Polizei, nämlich 11.509. Von den haben sich sogar fast 11.000 nicht bestätigt. Auch kleine Ladendiebstähle führen zu einer Meldung, ebenso wie der Aufenthalt an jugendgefährdenden Orten wie den Hauptbahnhof, Schwänzen oder Trunkenheit.

„Wenn ein Jugendlicher eine Cola-Dose klaut, müssen wir eine kollegiale Beratung abhalten, ob hier ein Hausbesuch nötig ist“, sagt ein Jugendamts-Mitarbeiter, der anonym bleiben will. Es gebe in Hamburg einen Kontrollwahn, „jede Seite will sich absichern, auch der Polizist“.

Lässt man nun die Polizeihinweise weg und schaut nur auf Schulen, Kitas, Nachbarn oder Verwandte, so gibt es keine so eklatante Steigerung. Der Wert lag vor zehn Jahren bei 2.150 und 2016 bei 2.401. Gebe es mehr Sensibilität für Kinderschutz, müssten doch gerade deren Meldungen viel mehr werden, sagt Mehmet Yildiz.

Die Linke kritisiert, dass das System auf die falsche Altersgruppe ziele und Personal binde. Sie will dies in der Enquetekommission Kinderschutz diskutieren. Denn jede Prüfung dauere mindestens zwei Stunden und nicht die offiziell veranschlagte Stunde. Bei 13.900 Fällen sind das über 27.000 Stunden. Die Zeit sollten Jugendämter besser für die Hilfe für überforderte Familien einsetzen.

Schweitzer nennt diese Zahl „aus der Luft gegriffen“. Die Behörde sieht keinen Änderungsbedarf. Wenn etwa ein Lippenstiftdiebstahl einmalig war und es keine weiteren Hinweise gebe, könne diese Meldung als „unbegründet“ eingestuft werden. Auch wenn sich in vielen Fällen keine Gefährdung zeige, bietet dies „die große Chance“, im Einzelfall eine akute Notsituation einen jungen Menschen zu erkennen.

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