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„Junge Leute in die Stadt locken“

Die City neu denken: Robert Bücking über die Raum-Ökonomie der Innenstadt

Interview Klaus Wolschner

taz: Die Sparkasse am Brill ist verkauft, die neue Investorenfamilie Schapira hat sich noch gar nicht geäußert – aber Sparkassenchef Tim Nesemann behauptet, es müssten 200 bis 300 Millionen Euro investiert werden…

Robert Bücking: Da geht Herr Nesemann hoch ran. Das wären für Grundstück und Neubau bei 40.000 Quadratmeter Brutto-Geschossfläche rund 7.500€ pro Quadratmeter.

Woher will Herr Nesemann das so präzise wissen?

Das hinterlässt eine Denksportaufgabe, die wir ohne Herrn Nesemann nicht lösen können.

Möglicherweise finanziert die Sparkasse das ja.

Da mag sich die Möglichkeit ergeben, dies und das zu kombinieren. Nur direkt aus der Vermietung der Immobilie lassen sich keine Mieten erzielen, die 7.500 Euro pro Quadratmeter finanzieren.

In den letzten Jahren hat es nur zaghafte Versuche der Innovation in der Innenstadt gegeben.

Ja, und die sind alle nicht durchschlagend gewesen. Die Innenstadt war in einem langen Dornröschenschlaf.

Jetzt wollen verschiedene Investoren alles zwischen Karstadt-Sporthaus und dem Brill umbauen. Woher kommt plötzlich das Interesse?

Das ist die spannende Frage. Sicherlich hat die Bremer City einen Investitionsstau, aus der Perspektive der Investoren ist der Standort vielleicht unterbewertet, die Preise sind günstig, Geld ist da, das interessiert die großen Entwickler. Und Unternehmer, die sich auskennen am Standort sind vorangegangen.

Mehr City-Fläche für Einzelhandel – ist das denn erfolgversprechend?

Die Investoren sprechen von gemischten Immobilien-Ensembles, das gilt für Mondelez, das Sparkassenareal, den Jacobs­hof und das Kontorhaus und natürlich für Karstadt und Kaufhof. Immer geht es um mehrere Immobilien mit öffentlichem Raum dazwischen und drumherum. Einzelhandel ist nur ein Aspekt unter anderen.

Es wird mehr Wohnungen geben?

Hotel, Büroflächen, immer ist auch ein Anteil Wohnen dabei. Entscheidend ist dann, wie der öffentliche Raum gestaltet wird, wie die Menschen an diesen Immobilien vorbeigehen und motiviert werden, innezuhalten, zu verweilen. Wie sich die neuen Bausteine in das Geflecht der City einfügen. Also Urbanität. Der rasche Strukturwandel der Digitalisierung in der Büroarbeit, im Einzelhandel und in der Mobilität erzwingt eine neue Raum-Ökonomie der Innenstädte.

Aber Einzelhandel braucht Platz und Parkplätze.

Im edlen Bereich werden es eher Show-Rooms sein, ohne den großen Warenstock. Die Leute gehen shoppen und lassen sich die Ware nach Hause bringen. Diese Form von Einzelhandel braucht weniger Fläche und findet vor allem im Parterre statt, Laufflächen sind entscheidend. Wichtig ist es den Investoren zudem, junge Leute in die Stadt zu locken.

Die Sparkasse zieht sich gerade aus der Innenstadt zurück.

Robert Bücking

65, ist seit 2015 bau- und stadtentwicklungspolitischer Sprecher der grünen Bürgerschaftsfraktion und war davor 20 Jahre lang Ortsamtsleiter für die Stadtteile Mitte und Östliche Vorstadt.

Dennoch, die wissensintensiven Dienstleistungsunternehmen schätzen normalerweise die innere Stadt mit ihrer Urbanität, da werden Flächen in der Innenstadt sicher interessant sein.

Die große Frage für das Faulenquartier ist ja, wie man die Brill-Kreuzung überbrücken kann.

Es gibt ja die faszinierende Idee, dass die Wirtschaftswissenschaftler der Universität in die Innenstadt umziehen, mit 6.000 Studenten. Auch die Telekom-Flächen hinter der Sparkasse hätten dafür ja Potenzial. Alle gucken eifersüchtig auf Leipzig, wo die Universität die Innenstadt prägt. Und natürlich, der Brill muss neu organisiert werden.

Muss es für das Parkhaus Mitte mit seinen 1.000 Stellplätzen nicht einen Ersatz geben?

Das ist ein kniffliger Punkt. Wir setzen ja darauf, dass sich Mobilität anders und neu organisieren lässt. Darin steckt viel Hoffnung. Größere Investitionen müssen für solche Perspektiven offen sein, gleichzeitig ist klar, dass die anderen Parkhäuser kurzfristig nicht ausreichen. Wenn für das neue Gebäude auf dem Sparkassengelände gesagt wird, dass da zwei Etagen Tiefgarage entstehen könnten, so bedeutet das, dass die Mieter im Hause damit versorgt wären. Tiefer kann man da aber nicht gehen, das wird zu teuer. Das war einer der Fehler, an denen das Ansgaritorprojekt gescheitert ist.

Bedeutet mehr Wohnraum mehr Urbanität?

Je mehr Menschen ihren Alltag mit der Innenstadt verbinden, desto besser. Mehr Wohnen hilft. Entscheidend ist bis dahin, dass die um die Innenstadt herum liegenden Stadtteile besser mit der City verbunden werden und es für die Bürger selbstverständlich wird, aus jedem erdenklichen Grund in die Innenstadt zu gehen. Dann ist mir um die Zukunft der City nicht bange.

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