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Siemens Gamesa streicht bis zu 6.000 Stellen

Während die Windkraftbranche noch boomt, bereiten sich Anlagenbauer auf den Markteinbruch vor

Von Bernward Janzing

Die Hersteller von Windkraftanlagen stellen sich auf schwerere Zeiten ein. Nachdem die Firma Nordex im September bereits angekündigt hatte, 400 bis 500 Arbeitsplätze vor allem in Deutschland, aber auch in anderen europäischen Ländern abzubauen, hat nun Mitbewerber Siemens Gamesa einen Abbau von bis zu 6.000 Stellen binnen drei Jahren verkündet. Betroffen davon sind vor allem Standorte in Deutschland und fünf weiteren Ländern. Bislang war nur von 700 Stellen die Rede gewesen. Das Marktumfeld sei schwierig, der Preisdruck für Windenergieanlagen an Land groß.

Markus Tacke, Geschäftsführer von Siemens Gamesa, begründete den Abbau damit, dass die „finanzielle Performance“ des Unternehmens noch nicht auf dem Niveau sei, das man anstrebe. Zwischen April und September seien die Umsatzerlöse aus dem Verkauf von Windenergieanlagen um 15 Prozent zurückgegangen, speziell die Märkte in Indien und Großbritannien seien schwierig.

Deutschland erlebt unterdessen aktuell noch einen Rekordzubau von Windkraftanlagen – und doch nehmen Hersteller mit dem Abbau von Stellen bereits die absehbare Marktentwicklung vorweg. Nach Zahlen der Bundesnetzagentur wurden alleine an Land (Onshore) in den ersten drei Quartalen 2017 fast 4.000 Megawatt an Windkraftleistung errichtet. Die Branche rechnet daher bis zum Jahresende mit einem Zubau zwischen 5.000 und 5.500 Megawatt. Das wäre ein neuer Allzeitrekord; der bisherige Spitzenwert datiert aus dem Jahr 2014, als 4.750 Megawatt installiert wurden. Hinzu kommen noch die Maschinen in Nord- und Ostsee, deren neu installierte Leistung die Branche auf 900 Megawatt in diesem Jahr schätzt.

Der aktuelle Boom resultiert daraus, dass derzeit noch die Projekte auf Basis des alten Erneuerbaren-Energien-Gesetzes (EEG) umgesetzt werden. Für 2018 geht der Bundesverband Windenergie (BWE) von einem Rückgang des Zubaus auf 3.000 bis 3.500 Megawatt an Land aus. Im Jahr 2019, wenn erstmals nur noch Anlagen aufgebaut werden, die unter das neue Ausschreibungsregime fallen, dürfte der Markt abermals erheblich schrumpfen. Eine unveränderte Rechtslage vorausgesetzt, rechnet die Branche dann mit weniger als 2.000 Megawatt.

Die absehbare Entwicklung in Deutschland sei bereits heute für den Abbau von Arbeitsplätzen in der Windbranche verantwortlich, sagt Wolfram Axthelm, Geschäftsführer Strategie und Politik beim BWE. In den vergangenen Jahren hatte die Zahl der Arbeitsplätze in der Windbranche mit leichten Schwankungen stetig zugenommen, sie lag nach Zahlen des Bundeswirtschaftsministeriums 2015 bei 142.900. Für 2016 liegen die Ziffern noch nicht vor. Im laufenden Jahr dürften sie aber, wenn man die aktuellen Meldungen betrachtet, zurückgehen.

Für die kommenden Jahre droht der Windbranche eine Entwicklung, von der die Solarbranche vor einigen Jahren schon getroffen wurde: Von 113.900 Arbeitsplätzen im Jahr 2012 waren drei Jahre später nur noch 42.200 übrig. Deutschland als das Land, das die Photovoltaik durch das EEG marktfähig machte, verlor in diesen Jahren große Teile der Wertschöpfung im Solarsektor ans Ausland.

Der Grünen-Politiker Anton Hofreiter hatte dieser Tage in einem Interview darauf hingewiesen, dass die Branche der erneuerbaren Energien in Summe in den letzten Jahren 70.000 Jobs verloren habe, während die Kohle, „wenn man großzügig rechnet“, überhaupt nur auf 15.000 Arbeitsplätze komme. Da im Interesse des Klimaschutzes die Kohle zurückgedrängt werden müsse, schlägt er „einen Fonds für die betroffenen Regionen, insbesondere in Ostdeutschland“, vor.

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