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Die Grünste unter den Schwarzen

SPD und CDU haben ihren Koalitionsvertrag für Niedersachsen fertig. Auch das Personal steht fest. Bernd Althusmann (CDU) wird Wirtschaftsminister, Olaf Lies (SPD) baut keine Autobahnen mehr, sondern schützt ab jetzt die Umwelt. Ministerinnen gibt es zu wenige

Von Andrea Scharpen

Ein knappes „Moin“ kann – in den Bart gemurmelt – wortkarg und mürrisch oder aber gelöst und gut gelaunt wirken. So wie das „Mohoin“, mit dem der niedersächsische Ministerpräsident gestern die wartenden Journalisten begrüßte. „Wir sind uns einig geworden“, sagte er dann mit Blick auf seinen neuen Stellvertreter im Amt des Ministerpräsidenten, Bernd Althusmann von der CDU.

Der zugespitzte Lagerwahlkampf auf die Köpfe Weil und Althusmann ist erst wenige Wochen her. Die Feststellung, es gebe zu viele menschliche Differenzen, auch. Aber seit den Sondierungsgesprächen zwischen SPD und CDU, bei denen schon lautes Lachen durch die geschlossene Tür drang, ist das alles nicht mehr wichtig.

Es blieb den beiden Großen auch nichts anderes übrig, als sich zusammenzuraufen, nachdem die FDP eine Ampelkoalition und die Grünen ein Jamaika-Bündnis ausgeschlossen hatten. Gestern stellten die Parteien den Koalitionsvertrag vor.

Inhaltlich gibt es keine großen Differenzen und auch auf das Personal hat man sich geeinigt – nur zwei Wochen nach Beginn der Koalitionsgespräche. Althusmann wird im neuen Kabinett, das am kommenden Mittwoch zum ersten Mal im Landtag zusammenkommt, der Minister für Wirtschaft, Arbeit und Digitales. Damit hat er eben den Platz im VW-Aufsichtsrat inne, den er vor der Wahl an einen unabhängigen Experten vergeben wollte. „Ich werde in den VW-Aufsichtsrat gehen“, sagte er nun.

Insgesamt haben SPD und CDU je fünf Ministerien bekommen. Die Mehrheit der Minister sind Männer. Vier von zehn Posten gehen an Frauen. Dabei hatte die CDU vor der Wahl angekündigt, die Ministerposten paritätisch besetzen zu wollen. „Wir haben dieses Ziel einer vollständigen 50-50-Quotierung letztendlich aufgrund der neuen Arithmetik der Zusammensetzung der Koalition nicht erreicht“, sagte Althusmann etwas verschwurbelt und schob nach: „Das müssen wir so akzeptieren.“

Weil hingegen ist trotz fehlender Ministerin zufrieden mit seiner SPD. Schließlich wurde gerade mit Gabriele Andretta (SPD) zum ersten Mal in der niedersächsischen Geschichte eine Frau zur Landtagspräsidentin gewählt und auch den Fraktionsvorsitz hält mit Johanne Modder eine Frau. „Die niedersächsische SPD kann sich in dieser Bilanz in Sachen Gleichstellung sehen lassen“, so Weil.

„Niedersachsens SPD kann sich in Sachen Gleichstellung sehen lassen“

Der niedersächsische Ministerpräsident Stephan Weil (SPD)

Eine der neuen Frauen im Ministeramt ist Barbara Otte-Kinast (CDU). Die Vorsitzende des niedersächsischen Landfrauenverbands wird Landwirtschaftsministerin. Die CDU hatte bewusst keine Massentierhalterin wie die gescheiterte Vorgängerin Astrid Grotelüschen nominiert, sondern eine Milchviehbesitzerin, die in der Vergangenheit sogar die Landwirtschaftspolitik von Christian Meyer (Grüne) gelobt hatte. Eine Rolle rückwärts im Tierschutz ist mit ihr unwahrscheinlich.

Das Justizministerium leitet zukünftig eine Praktikerin. Die Richterin Barbara Havliza (CDU) aus Nordrhein-Westfalen soll nach Wunsch der Koalitionäre die Strafverfahren beschleunigen.

Die SPD tauscht ihre Sozialministerin aus. Statt Cornelia Rundt übernimmt in Zukunft die Braunschweiger Bundestagsabgeordnete Carola Reimann das Ressort. Sie hat auch in Berlin zu Themen wie Gesundheit, Arbeit und Soziales, Frauen, Senioren, Familie und Jugend gearbeitet. Die 64-jährige Rundt hatte kurz nach der Wahl erklärt, dass sie sich ins Privatleben zurückziehen wolle.

Die zweite SPD-Ministerin wird Staatssekretärin Birgit Honé. Ihren Posten einer Bundes- und Europaministerin hat die Koalition neu geschaffen.

Was für ein Posten-hin-und-her-Geschiebe eine neue Koalition mit sich bringt, kann man am bisherigen Wirtschaftsminister Olaf Lies (SPD) sehen. An beiden entscheidenden Ressorts, Wirtschaft und Inneres, konnte die SPD nicht festhalten. Boris Pistorius (SPD) bleibt als Innenminister gesetzt. Also wurde der bisher für Autobahnbau zuständige Minister Lies kurzerhand zum neuen Umweltminister erklärt. Das passt aber insofern, als dass er in diesem Ressort auch für den Ausbau der erneuerbaren Energien zuständig ist.

Mit Philologenverbänden und Lehrergewerkschaften darf sich in Zukunft der bisherige parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Fraktion, Grant Hendrik Tonne, herumschlagen. Den Juristen, der bei der Wahl seinen Wahlkreis verloren hat, hatte kaum einer für das Kultusministerium auf dem Schirm. Er soll Lehrern und Eltern nun die von der Koalition verzögerte Inklusion an Schulen vermitteln. Förderschulen mit dem Schwerpunkt Lernen werden zunächst nicht geschlossen und die Förderschulträger können beantragen, dass die Phase, in der sie noch neue Schüler einschulen dürfen, verlängert wird.

Auch die CDU hat noch wichtige Männer aus der Fraktion mit Posten versorgt. Finanzminister wird der langjährige Abgeordnete und studierte Diplom-Kaufmann Reinhold Hilbers. Er war zuvor haushaltspolitischer Sprecher der CDU-Fraktion.

Ex-Fraktionschef Björn Thümler (CDU), der in Althusmanns Schattenkabinett selbst noch als Finanzminister vorgesehen war, wird Minister für Wissenschaft und Kultur.

Beide Parteien müssen den Koalitionsvertrag noch auf Parteitagen beschließen.

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