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Kaffee-Kapsel aus Pflanzen erfundenZeitalter der Revolutionen

Umwälzend findet Velibre-Gründer David Wolf-Rooney seine neue Kaffeekapsel aus Abfall der Rohrzucker- Produktion. Er träumt von einem Alukapsel-Bann.

Produzieren haufenweise Müll und sind überdies ungesund: Kaffeekapseln aus Alu Foto: Anthony Devlin/dpa

BREMEN taz | David Wolf-Rooney hält zwei identische gelblich graue Becherchen in den Raum, die aussehen wie zu groß geratene Fingerhüte aus Pappe, und seine Glatze scheint ein wenig zu leuchten. „This capsule is worth more than 100 million Euros“, ruft er, ja sogar an Milliarden denkt er schon. Im Büro im schrammeligen kleinen Gewerbegebiet hinterm Bahnhof Bremen-Burg hat nämlich, dem Gründungsgeschäftsführer der Velibre GmbH zufolge, dank zwei Jahren Forschung und unter Einsatz einer Million Euro, eine Revolution stattgefunden.

Eine Kaffee-Revolution, ganz bremisch, wie damals, als hier 1673 Europas erstes Café nördlich der Alpen beim Schütting eröffnet hatte. Oder doch zumindest eine Revolution auf dem Kaffeekapselautomaten-Kapselmarkt. Auf dem ist Velibre tätig: Seit 2015 stellt das Unternehmen – die Fabrik steht im bulgarischen Veliko Tarnovo – biologisch-abbaubare und mit den Automaten des Branchenführers Nestlé kompatible Kapseln her. Seit 2016 befüllt es sie mit ausschließlich bio-fairem Kaffeepulver. Jetzt hat es das perfekte Material gefunden, nämlich ein Papier aus Bagasse, dem fasrigen Abfall der Rohrzuckerproduktion. Und man hat den Schritt in die Massenherstellung geschafft.

„Die Menge ist theoretisch unbegrenzt“, sagt Stephanie Lichtenberg, die als Head of Operations firmiert. Denn man will nicht nur den eigenen Kaffee in die Pappbecherchen pressen, die am Ende in die Biotonne geworfen werden können, sondern auch die Größen des Kaffekapselmarkts als Lizenznehmer gewinnen. „Unsere Vision ist es, Plastik- oder Aluminiumkapseln vollständig aus dem Markt zu verbannen“, so Wolf-Rooney. Wenn das klappt – und vielleicht hilft ja irgendwo ein Plastik- oder Alukapselverbot – dann ist Rooneys Milliardentraum plötzlich sehr greifbar.

Denn seit zehn Jahren boomt das Geschäft. Immer mehr Menschen genießen ihren Kaffee als Kaffeekapselmaschinen-Kaffee. Und selbst wenn man sich die Ökobilanz dieser Trendtechnologie bei einer Globalbetrachtung einschließlich Recycling-Hypothese einigermaßen okay rechnen kann (siehe Kasten), wird die Freude übers Heißgetränk doch durch den verursachten Abfall getrübt. Von weltweit 9.000 Tonnen Alukapselmüll war 2010 die Rede. Und die Menge wächst weiter: Im Jahr 2015 sollen es allein in Deutschland bereits 5.000 Tonnen Alukapselmüll gewesen sein. Plus ebenso viel Plastikkapselmüll.

Abgekapselt

Rund 5.000 Tonnen Abfall, meist Aluminium, hat die Zubereitung von Kaffee in Einwegkapseln laut Stiftung Warentest 2015 verursacht.

Würde das Aluminium recycelt, wäre die CO2-Bilanz dieser Zubereitungsform dennoch laut Eidgenössischer Materialprüfungsanstalt die nach Caffettiera und handgebrühtem Kaffee günstigste, weil sie Kaffeepulver spart.

Viel krebserregendes Furan enthält Kapselkaffee: Mit 117 bis 244 Nanogramm pro Milliliter liegt dieser Wert laut einem Forscherteam um Lebensmittelchemiker Javier Santos von der Uni Barcelona fünfmal so hoch wie bei Filterkaffee.

Gesundheitlich ist auch Aluminium bedenklich: Das Element gilt als Nerven- und Zellgift. Es steht im Verdacht, Brustkrebs, Alzheimer, Parkinson und die von Recklinghausen-Knochenkrankheit auszulösen.

Und jetzt ist dieses Jahr auch noch die gute alte Bremer Firma Jacobs in den deutschen Kapselmarkt gestolpert: Auch das war im Sommer nach Selbsteinschätzung des Unternehmens „eine Revolution auf dem Kaffeemarkt“. Mit den eigenen nespressokompatiblen Kapseln sei man nämlich „der erste Anbieter, der mit einer im Supermarkt erhältlichen Aluminiumkapsel neue Standards setzt“, hatte der Einzelhandelsboss von Jacobs Douwe Egberts, Luc van Gorp, im Juli verkündet.

Dagegen wirkt die Velibre-Revolution revolutioniger, selbst wenn in der Schweiz mit Beanerella ein Unternehmen bereits seit 2014 kompostierbare Kaffeekapseln für die eigenen Maschinen herstellt und online vertreibt: Um als Umwälzung wahrgenommen zu werden, ist das ein zu starker Rückzug auf die eigene Nische. Dank Velibre aber wird allen klar: Wir leben in einer Zeit, in der die Entsorgungsmöglichkeiten eines Produkts seinen Wettbewerbsvorteil begründen. Und das ist toll.

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