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„Ein neues Ministerium für die Dörfer wird die AfD nicht stoppen“

Die CSU schlägt vor, ein Ministerium für ländliche Räume einzuführen. Doch das lenke von den echten Problemen der Agrarpolitikab und verhindere Reformen, sagt Ulrich Jasper von der ökologisch orientierten Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft

Interview Jost Maurin

taz: Herr Jasper, die CSU will in einer möglichen Koalition mit CDU, FDP und Grünen ein Bundesministerium für den ländlichen Raum durchsetzen. Das Ressort soll etwas dagegen tun, dass sich viele Leute auf dem Land vom Rest der Gesellschaft abgehängt fühlen und AfD wählen. Gute Idee?

Ulrich Jasper: Das ist eher eine Strategie, damit die Koalitionäre zum Beispiel den notwendigen Umbau der Tierhaltung aus dem Blick verlieren. Kanzlerin Angela Merkel redet seit der Bundestagswahl vom ländlichen Raum als wichtige Aufgabe. Deshalb haben sich die pfiffigen Strategen etwa beim Bauernverband überlegt: Wir nennen unser altes Ressort eben Ministerium für ländlichen Raum, dann kriegt das Haus rhetorisch eine Bedeutung. Aber sie machen die alte Soße. So wollen sie verhindern, dass die Agrarsubventionen endlich an Gegenleistungen beispielsweise für die Umwelt und das Tierwohl gebunden werden.

Welche Rolle spielt, dass die Grünen im Kabinett für Landwirtschaft zuständig werden könnten?

Der Plan vom Ministerium für den ländlichen Raum soll auch verhindern, dass die Zuständigkeit für Agrar ins Umweltressort kommt. Denn dieses Ministerium wird möglicherweise von der Grünen Katrin Göring-Eckardt geleitet. Dann sieht sich der Bauernverband kaltgestellt. Der lehnt ja regelmäßig Regeln für eine umwelt- und tierfreundlichere Landwirtschaft ab.

Jamaika-Koalitionäre verhandeln Agrar und Verkehr

Bei den Sondierungsgesprächen von Union, FDP und Grünen standen am Mittwoch mehrere besonders umstrittene Themen auf der Tagesordnung: Die Koalitionäre in spe verhandelten unter anderem über die Agrar- und Verkehrspolitik der künftigen Bundesregierung.

Die Gespräche dauerten bei Redaktionsschluss noch an. Im Vorfeld forderte Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt eine Agrarwende, die Monokulturen, Pestiziden und Artensterben den Kampf ansage. Greenpeace-Aktivisten protestierten am Rande der Sondierungsgespräche gegen Massentierhaltung.

Harte Verhandlungen wurden auch beim Thema Verkehr erwartet. Der ehemalige CSU-Verkehrsminister Alexander Dobrindt wies die Grünen-Forderung nach einem Verbot neuer Verbrennungsmotoren im Jahr 2030 zurück. Auch neue Verhandlungen über die umstrittene Pkw-Maut lehnte Dobrindt kategorisch ab. (mkr)

Wird auf dem Land mehr AfD gewählt?

Man kann nicht sagen, dass der ländliche Raum eher rechts oder europaskeptisch wählt. In Nordrhein-Westfalen beispielsweise war die AfD im Ruhrgebiet wesentlicher stärker als im Münsterland oder anderen ländlichen Regionen. 8 Prozent der deutschen Landwirte haben für die AfD gestimmt. Das ist unter dem gesamtgesellschaftlichen Schnitt von 13 Prozent. Aber es gibt ländliche Räume, die abgedriftet sind und wo die AfD hohe Stimmanteile bekommen hat. Doch die ostdeutschen Städte haben auch stark rechts gewählt.

Würde ein Ministerium für ländlichen Raum AfD-Wähler zurückgewinnen?

Ulrich Jasper, 49, ist Bundesgeschäftsführer der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL).

Man sollte sich um den ländlichen Raum kümmern, die ländlichen Kommunen stärken. Da ist schon viel zu machen. Aber ein neues Ministerium löst keine Politbegeisterung aus und wird die AfD nicht stoppen. Die Aufgaben, die in der Landwirtschaft anstehen, sind so groß, dass sie auch ein eigenes Ressort rechtfertigen. Aber nur, wenn es sich nicht als Vertretung für wirtschaftliche Interessen einer kleinen Gruppe innerhalb der Landwirtschaft begreift, sondern Tierschutz und andere Themen von hoher gesellschaftlicher Relevanz mit Wirtschaftlichkeit verbindet. Da liegt jetzt die große Chance.

Was bedeutet die aktuelle Agrarpolitik für die Dörfer?

Sie erhöht den Frust noch. Sie begünstigt durch hohe Subventionen zum Beispiel große Betriebe im Osten, die nun zusehends von Investoren übernommen werden. Damit werden die Arbeitsplätze dort zur Spielmasse. Die Entscheidungen werden woanders getroffen, das Management sitzt nicht vor Ort. Das alles verstärkt das Gefühl des Abgehängtseins. Wenn man lebendige ländliche Räume will, muss man den Arbeitsplatzabbau in der Landwirtschaft stoppen und Existenzgründungen besser fördern. Es wäre ein großes Signal, die noch in Bundeseigentum befindlichen Flächen im Osten gezielt Neueinsteigern und kleineren Betriebe zu geben, damit sie zum Beispiel mit einer tier- und umweltgerechten Nutztierhaltung neue Arbeitsplätze und Wertschöpfung in den Dörfern schaffen. Ein anderer Einsatz von Geldern und Flächen belebt ländliche Räume, nicht die Umbenennung eines Ministeriums.

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