piwik no script img

Kein Disneyland mehr auf dem heiligen Berg

Der weltbekannte Uluru in Australien soll nicht mehr von Touristen bestiegen werden dürfen – eine bedeutende Entscheidung für die Aborigines

Bisweilen färbt sich Touristenhaut ulurumäßig ein Foto: David Gray/reuters

Aus Canberra Urs Wälterlin

„Der Uluru ist kein Disneyland.“ Das sagte Sammy Wilson, einer der traditionellen Besitzer des zentralaustralischen Monolithen, am Dienstag. Danach beschloss die Verwaltung des Uluru-Kata-Tjuta-Nationalparks, das Besteigen des 348 Meter hohen Berges ab 2019 zu verbieten. Seit Zehntausenden von Jahren leben die Anangu-Aborigines im Schatten des Uluru, oder Ayers Rock, wie ihn die weißen Entdecker genannt hatten.

Für die Ureinwohner ist der Berg heilig. Nur speziell initiierte Männer des Stammes dürfen hochklettern – und auch das nur zu ganz besonderen Gelegenheiten. Viele Formationen am Felsen sind strikt tabu. Höhlen etwa, in die Frauen zum Gebären gingen, Jungen zur Beschneidung. Die Orte dürfen auch von Touristen nicht fotografiert werden.

„Nach vielen Diskussionen haben wir entschieden, dass es Zeit ist“, sagte Wilson am Mittwoch. Seit den achtziger Jahren bitten die Ureinwohner Touristen, nicht auf den Berg zu klettert – aus Respekt vor den Traditionen der Aborigines, aber auch aus Gründen der Sicherheit. Große Schilder am Fuß des Uluru mahnen zum Verzicht.

Lange hatten Besucher des australischen Inlandes für den Wunsch wenig Verständnis gezeigt. Bis in die neunziger Jahre kletterte die Mehrheit der Touristen. Seither haben sich Bewusstsein und Respekt für die Wünsche der Ureinwohner durchgesetzt, in den meisten Fällen. „Europäer respektieren in der Regel, dass wir die Besteigung nicht wünschen“, so ein indigener Parkranger. Die meisten Kletterer heute seien Asiaten oder weiße Australier, die es als ihr Geburtsrecht sehen würden, auf den Berg zu steigen.

Ausschlaggebend für die Entscheidung dürfte gewesen sein, dass sich die im Aufsichtsrat stark vertretene Tourismusindustrie endlich einverstanden zeigte. Reiseveranstalter und Tourismusbehörden hatten über Jahre behauptet, Zentralaustralien würde an Attraktivität verlieren, wenn der Aufstieg nicht mehr möglich ist. Umfragen zeigen, dass heute nur noch 16,2 Prozent der Besucher den Berg erklettern. 1990 waren es noch 74 Prozent. Die meisten Touristen wandern heute um den Uluru, ein einfacher Spaziergang von zehn Kilometern Länge.

„Europäer respektieren, dass wir die Besteigung nicht wünschen“

Der Entscheid hat große symbolische Bedeutung. „Wir haben uns über Jahre gefühlt, als wenn uns jemand eine Pistole an den Kopf halten würde“, sagt Wilson, Vorsitzender des Aufsichtsgremiums des Parks. Der Druck sei groß gewesen, den Aufstieg weiter zu erlauben. „Die Regierung muss respektieren, was wir über unsere Kultur sagen. Sie erwartet ja auch von uns, dass wir ihre Gesetze befolgen“, sagte er.

In den letzten Jahren hatten Aufseher den Aufstieg immer häufiger mit dem Hinweis auf zu hohe Tagestemperaturen schließen müssen. Im Sommer kann die Temperatur in Zentralaustralien über 48 Grad klettern. Seit den 50er Jahren sind mindestens 36 Menschen während oder nach der Klettertour gestorben – vor allem als Folge von Unfällen sowie Herz- und Kreislaufproblemen.

Wie viele Regionen Australiens waren auch weite Teile des isolierten Inlands nach der Besiedlung des Kontinents 1788 von den weißen Neuankömmlingen übernommen worden. Sie haben viele Urbewohner entweder vertrieben, umgesiedelt oder ermordet. 1985 ging das Gebiet, in dem der Uluru und das nahe gelegene Gebirge der Kata Tjuta stehen, offiziell an die Anan­gu zurück. Die verpachteten den neu geschaffenen Park zur gemeinsamen Verwaltung an die Regierung. Seitdem gab es Kritik, die Ureinwohner hätten im Aufsichtsrat zu wenig zu sagen. In den letzten Jahren hatten Reiseveranstalter befürchtet, chinesische Touristen könnten nicht mehr ins rote Zentrum Australiens kommen, sollte der Aufstieg verboten werden. China hat sich innerhalb weniger Jahre zu einem der wichtigsten Herkunftsländer für Australien-Touristen entwickelt.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen