Geldpolitik der Europäischen Zentralbank: EZB drosselt Geldflut

Jahrelang haben Europas Währungshüter Anleihen im Billionenwert gekauft. Das wird nun reduziert. Ein riesiges Problem bleibt.

Ein Mann lächelt

Locker drauf: Zentralbank-Chef Mario Draghi Foto: dpa

BERLIN taz | „EZB wagt Kurswechsel“, schrieben die Agenturen am Donnerstag kurz nach 13.45 Uhr, als die Pressemitteilung der Europäische Zentralbank nach der monatlichen Sitzung des EZB-Rats bekannt wurde. Dass die Währungshüter um Mario Draghi die Euro-Zone weiter im Ausnahmezustand sehen und deshalb sogar gerade angekündigt hatten, ihr Anleihenkaufprogramm zu vergrößern, ging dabei zunächst unter.

Ja: Die EZB hat gestern einen ersten Schritt getan, um aus ihrer seit Jahren ultralockeren Geldpolitik auszusteigen. Die Notenbank senkt danach ihre umstrittenen Anleihenkäufe deutlich. Das Programm soll zwar bis mindestens Ende September 2018 verlängert werden, das monatliche Volumen der Kaufaktionen wird aber ab Januar auf 30 Milliarden Euro halbiert.

Die Anleihebestände der EZB wachsen aber weiter: um 270 Milliarden auf dann 2,55 Billionen Euro. Die Leitzinsen beließ die Europäische Zentralbank wie erwartet auf dem Rekordtief von 0,0 Prozent. Dort liegen sie bereits seit März 2016.

Weil auch drastische Zinssenkungen nicht zum erhofften Aufschwung und einem Anstieg der Inflationsrate auf die von der EZB gewünschten knapp zwei Prozent führten, flutet die Notenbank bereits seit Anfang 2015 die Eurozone mit Geld, kauft Anleihen von Firmen und indirekt auch von Staaten. Das gigantische Kaufprogramm sollte nach bisheriger Planung bis Ende 2017 laufen.

Sorgen um Inflation

Damit will die EZB jetzt langsam aufhören und ihre Geldpolitik wieder normalisieren: Draghi sieht eine „robuste Expansion“ in der Eurozone, in den vergangenen 17 Quartalen sei „die Wirtschaft ununterbrochen gewachsen“. Gleichzeitig seien sieben Millionen neue Jobs geschaffen worden. Die Arbeitslosenquote liegt bei 9,1 Prozent.

Eine andere Statistik bereitet den Währungshütern allerdings Sorgen: die Inflation. Das EZB-Ziel von knapp 2 Prozent verfehlt die Eurozone seit Langem. Im September zum Beispiel zogen die Verbraucherpreise nur um 1,5 Prozent an, im kommenden Jahr soll die Inflation sogar wieder auf 1,2 Prozent sinken. „Wir liegen hinter der US-Entwicklung zurück“, begründete Draghi sein im Vergleich zur US-Notenbank Fed trippelschrittartiges Vorgehen. Die EZB hat mit einem weiteren Problem zu kämpfen: Auch das Angebot an Papieren, die die Währungshüter nach eigenen Regeln erwerben dürfen, stößt bald an seine Grenzen.

Das Wort „Exit“, also ein Ende der Nullzinspolitik, nahm Draghi erneut nicht in den Mund. Experten erwarten, dass die EZB, anders als die Fed, nicht vor 2019 die Leitzinsen anhebt. Allerdings birgt das billige Geld hohe Risiken: Nicht nur, dass Normalsparer also weiter kaum Zinsen für ihr Erspartes bekommen. Anleger gehen dann tendenziell auch höhere Risiken ein, die Gefahr von Blasen steigt.

Wegen der guten Konjunktur hielten gestern viele Ökonomen den EZB-Schritt für zu schüchtern. Konkrete Auswirkungen könnten die geringeren Anleihenkäufe auf Immobilienkäufer haben: Die Zinsen von Hypothekendarlehen in Deutschland orientieren sich vor allem an der Verzinsung von Bundesanleihen mit zehnjähriger Laufzeit. Verringert die Notenbank ihre Wertpapierkäufe, könnten die Zinsen dieser Papiere steigen. Ein rasanter Anstieg ist aber nicht zu erwarten.

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