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Aus dem Geist der Serienproduktion

Ein Markt für Kunst im heutigen Sinne entstand in den Niederlanden des 17. Jahrhunderts, wo Zehntausende von Genrebildern an ein reiches Bürgertum gebracht wurden

Von Hajo Schiff

Heute mag der Kunstmarkt zwar spektakulär heißgelaufen sein, aber Geschäfte mit dem Luxusgut Kunst gab es schon immer. Denn im Prinzip ist alles handelbar – also auch die Kunst, jedenfalls wenn sie nicht gerade ein heiliges Weihgeschenk an die Götter ist.

Und selbst für Devotionalien gibt es einen Markt, das zeigt jede Kirchweih und jedes Tempelfest. Viele Antiken sind nur deshalb erhalten, da es für kleine Götterbilder in allen Materialien eine fast industrielle Produktion gab, die aber auch die öffentlichen Bauten des römischen Imperiums mit Kaiserbildnissen und die reichen Privatleute mit Marmorkopien griechischer Bronzewerke versorgte.

Für einen Kunstmarkt in engeren Sinne braucht es drei Bedingungen: eine Gesellschaftsschicht von Liebhabern und Sammlern, die bereit ist, Geld auszugeben, und eine nicht mehr bloß als Dekor-Handwerker verstandene Künstlerschaft, die primär nach eigenen Vorstellungen Kunst produziert; dazu Vermittlungsstrukturen, in denen sich beide Seiten treffen.

Fehlt der direkte Kontakt von Kirche und Adel, von Auftraggeber oder Mäzen zu den in Handwerksgilden oder am Hof gebundenen Künstlern, dann entsteht die neue Funktion des Kunsthändlers. Mit guten Beziehungen kann das ein freier Künstler auch in eigener Regie übernehmen, dafür gibt es seit der Renaissance gute Beispiele. Von den Kunsthändlern zu unterscheiden sind die Marktschreier, die auf den spätmittelalterlichen Märkten religiöse oder politische Einblattdrucke anpreisen – auch wenn die Flut der frühneuzeitlichen Stiche, wie sie noch Dürer selbst verkaufte, in dieser Tradition steht.

Den heutigen ähnlichen Formen nimmt der Kunstmarkt erst im 17. Jahrhundert an. In den Niederlanden – und nur dort – bedienen Hunderte von spezialisierten Malern ein reiches bürgerliches Publikum, wobei Getränke, Musik, Essen oder gar Lotterien bei der Vermarktung Zehntausender von werkstattmäßig hergestellter, eher kleinformatiger Landschaften und Genrebilder, Stillleben und Seestücke helfen. Und im teureren Segment agieren reiche Kunsthändler und arrangieren Auftragsporträts und den Export.

Im 18. Jahrhundert dann beginnen im Pariser Louvre die regelmäßigen Verkaufsausstellungen des Salons. Nach und nach entwickeln sich nun alle Bausteine des Kunstbetriebs. Vernissage und Katalog, Galerist und Kunstkritiker, Auktionen und Messen: Alles dient letztlich dazu, für ein Stück bemalter Leinwand oder eine Aktion im „erweiterten Kunstbegriff“ einen besonderen Wert zu postulieren.

„Die Geburt des Kunstmarktes – Rem­brandt, Ruisdael, van Goyen und die Künstler des goldenen Zeitalters“. Bucerius Kunstforum, Hamburg, täglich 11–19 Uhr. Bis 7. Januar 2018

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