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Die Rechten und die Bundeswehr

Mit einer neuen Zahl schockt das Bundesverteidigungs­ministerium die Öffentlichkeit: 200 Rechtsextremisten habe der Militärische Abschirmdienst seit 2008 gezählt. Ist das ein Skandal oder guter Durchschnitt?

Von Martin Kaul und Christina Schmidt

Stellen wir uns also vor, es wären alles – zum Beispiel – Muslime gewesen. Sagen wir, nur in Gedanken, es handele sich also um 200 Islamisten in Reihen der Bundeswehr. Was wäre dann eigentlich los?

Mit einer neuen Zahl aus dem Militärischen Abschirmdienst schockte das Bundesverteidigungsministerium zu Wochenbeginn die Öffentlichkeit. „Seit 2008“, heißt es in dem Schreiben an die Bundestagsabgeordnete Irene Mihalic (Grüne), das auch der taz vorliegt, „hat der Militärische Abschirmdienst in rund 200 Fällen die jeweilige Person nach Abschluss der Ermittlungen als Rechtsextremist bewertet.“

Das ist eine beachtliche Zahl – denn sie fasst nur all jene zusammen, die letztlich amtlich so auffällig wurden, dass sie rechtssicher aus der Bundeswehr entfernt werden sollten. Worüber die Zahl noch nichts aussagt: über all jene, die in der Bundeswehr mehr oder weniger offen rechtem Gedankengut anhängen. Worüber sie ebenfalls noch nichts sagt: darüber, wie akut die Gefahr derzeit wirklich ist, dass die Bundeswehr von rechten Gruppen gezielt genutzt wird.

Und so lieferten das Bundesverteidigungsministerium und der Militärische Abschirmdienst am Montag schnell nach, als es darum ging, die Zahlen einzuhegen: 18 Mitarbeiter habe die deutsche Armee zwischen 2012 und 2016 wegen ihrer rechtsextremistischen Gesinnung entlassen, darunter Soldaten wie zivile Angestellte, hieß es aus dem Verteidigungsministerium. Derzeit prüfe der Militärische Abschirmdienst (MAD) noch 391 Verdachtsfälle auf Rechtsextremismus. Das sind, wohlgemerkt, zunächst nur Verdachtsfälle – aber eine ganze Menge.

Geht es nach dem Wehrbeauftragten des Deutschen Bundestags Hans-Peter Bartels (siehe Interview), so sind „Mangelwirtschaft, Überlastung und zerbrechende Familien“ heute ein weit größeres Problem in der Bundeswehr als die Gefahr von rechts außen. Er verweist darauf, dass zahlreiche Verdachtsfälle sich im Laufe der Ermittlungen nicht erhärten ließen. Auch der MAD legte Wert darauf, die Zahl von 200 Rechtsextremisten zügig zurechtzurücken.

Ein Sprecher des Bundeswehr-Nachrichtendienstes sagte der taz, die Zahl der als rechtsextrem erkannten Soldaten sei zuletzt deutlich zurückgegangen – im Vergleich zu den Zeiten der Wehrpflicht. So habe der MAD in den Jahren von 2008 bis 2011 jährlich im Schnitt rund 40 Verdachtsfälle bestätigt, in den Jahren von 2012 bis einschließlich 2017 dann im Schnitt nur noch 4 pro Jahr.

Eine Erklärung dafür ist laut MAD der niedrigere Personalbestand und die geringere Personalfluktuation, den der Dienst der Bundeswehr seit Wegfall der Wehrpflicht zu überwachen hat. Andererseits: Ist es wirklich realistisch, dass nur deshalb innerhalb eines Jahres die Fallzahlen gleich auf ein Zehntel fallen – obwohl der Personalbestand in den letzten zehn Jahren von einst 250.000 Soldaten gerade mal auf rund 185.000 fiel? Gibt es wirklich so signifikant weniger Rechtsextreme in der Bundeswehr – oder werden sie nur nicht gefunden?

Immer wieder hatten schließlich mutmaßlich rechtsextremistische Bestrebungen innerhalb des Militärs in den letzten Monaten für Schlagzeilen gesorgt – etwa im spektakulären Fall des rechtsextremen Bundeswehrsoldaten Franco A., der sich als vermeintlich syrischer Flüchtling registriert, zuvor seine fremdenfeindlichen Gedanken in einer wissenschaftlichen Arbeit dokumentiert hatte und schließlich auf dem Flughafen Wien dabei erwischt wurde, wie er eine dort hinterlegte Waffe abholte. Auch aufgrund dieses Falls ordnete Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) an, die eigene Armee gezielter auf rechtsextremistische Umtriebe hin zu durchsuchen – was nicht überall in der Bundeswehr auf Gegenliebe stieß.

Dass die Bundeswehr in rechten Zirkeln weiterhin eine hohe Anziehungskraft genießt, zeigten auch Hausdurchsuchungen Ende August in Mecklenburg-Vorpommern. Mitte September berichtete die taz gemeinsam mit dem NDR darüber, dass die dortige Razzia wegen des Verdachts der Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Straftat direkt zu unterschiedlichen Mitgliedern des Reservistenverbandes in Mecklenburg-Vorpommern führte.

Der Generalbundesanwalt war Ende August mit ortsfremden Polizeikräften in Mecklenburg-Vorpommern angerückt, um zwei Beschuldigte und vier Zeugen zu durchsuchen. Fünf von ihnen waren Exsoldaten – und allesamt Mitglied im Reservistenverband.

Das bringt nicht nur die Bundeswehr, sondern auch den Reservistenverband unter Druck. Zuletzt hatte der Expräsident des Reservistenverbands, der CDU-Bundestagsabgeordnete Roderich Kiesewetter, öffentlich ausgeteilt und dem Verein, den er im Streit verlassen hatte, attestiert, ein „rückwärtsgewandter Verband“ zu sein. Am Dienstag bestätigte der Reservistenverband einen Artikel des Redaktionsnetzwerks Deutschland, dem zufolge der Verband seit 2010 insgesamt 32 Mitgliedern wegen rechtsextremer Aktivitäten gekündigt hat.

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