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„Die Konservativen haben die FPÖ ins politische System integriert“

Der Politologe Hajo Funke über den Wahlsieg der ÖVP in Österreich und die Strategie konservativer Parteien, rechte Inhalte für sich zu vereinnahmen.

Hajo Funke Jahrgang 1944, ist emeritierter Professor am Otto-Suhr-Institut für Politikwissenschaft in Berlin. Er forscht und schreibt zu Rechtspopulismus und Rechts­extremismus.

Interview Antonia Groß

taz: Herr Funke, sieht man am Wahlsieg der ÖVP in Österreich, dass eine konservative Partei die Inhalte einer rechten Partei übernehmen und damit gewinnen kann?

Hajo Funke: So kann man das nicht sagen. Dem ging in Österreich eine spezifische Entwicklung voraus. Die FPÖ hat sich seit etwa 30 Jahren rechtspopulistisch radikalisiert. Und sie ist schon einmal, 2000, mit der ÖVP eine Koalition eingegangen. Das heißt, es ist umgekehrt: Die ÖVP hat die FPÖ anerkannt und de facto in das System integriert.

Die ÖVP hat schon seit geraumer Zeit ähnliche Thesen wie die FPÖ vertreten. Nun gab es eine Eskalation der innenpolitischen Lage. Sebastian Kurz ist im Grunde ein rechtspopulistischer Putsch gegen die alte ÖVP gelungen. Diese spezifische Entwicklung ging nur in Österreich, wo ein beträchtlicher Teil der Bevölkerung ohnehin schon diesen Kurs unterstützt. Sonst wäre der Erfolg gar nicht denkbar. Es haben sich ja schon Jörg Haider und dann Strache mit rechtspopulistischen Thesen gegen den Islam und die Flüchtlinge durchgesetzt. Die rechtspopulistische Mehrheit gab es also schon längst – Kurz hat sich jetzt an deren Spitze gesetzt. Das wäre in Deutschland so nicht möglich gewesen.

Die konservative Partei hat also die rechten Wähler nicht abgegriffen?

Die waren in der ÖVP schon da. Kurz hat diesen Prozess nur radikalisiert. In Österreich haben wir eine besondere Situation. Für die deutsche Konstellation wäre das eher verhängnisvoll und würde zur Spaltung führen.

Nehmen wir Osteuropa mit in den Blick. Nähern sich rechte Parteien ideologisch einander an?

Die können sich schon einigen, dass sie alle gegen den Islam und die Muslime im Land sind. Ihre jeweiligen Nationalismen sind nicht automatisch gegeneinander gerichtet, es gibt durchaus ideologische Schnittmengen. Das gilt für Russland, Ungarn, Polen. Sie stehen sich nah in der Frage eines undifferenzierten Umgangs mit dem Islam und Muslimen.

Es geht aber darüber hinaus: Die Rechtspopulisten plädieren in unterschiedlicher Intensität für eine autoritäre Umordnung. Und sie sind erheblich euroskeptisch. Das ist Kurz nur begrenzt, zumindest in seiner Ausdrucksweise. Aber natürlich erschwert das Ergebnis die Zukunft proeuropäischer Initiativen. Die FPÖ ist nicht nur Europa-, sondern auch euroskeptisch. Ich sehe aber nicht kommen, dass sich Österreich aus dem Euro zurückzieht. In der FPÖ gibt es zwar diese Tendenzen, die haben aber nicht die Mehrheit.

Was bedeutet denn Kurz’ Wahlsieg für den sich stabilisierenden Trend rechter Parteien in Europa?

Er erhöht die Lähmungs-Trends. Es kommt jetzt darauf an, dass es nicht zu weiteren Rückschlägen kommt. Die Ideen des französischen Präsidenten Macron gehen ja dahin, dass man neue Initiativen für Europa braucht – besonders für eine flexible Wirtschafts- und Finanzpolitik oder gegen Jugendarbeitslosigkeit. Man kann arbeitsmarktpolitisch unendlich viel gestalten, ohne die europäischen Verträge ändern zu müssen. Ein Kleinstaat wie Österreich ist erst einmal keine so erhebliche Bremse. Selbst die kleinen Staaten in Osteuropa müssen das nicht behindern, wenn die europäische Kommission und besonders Deutschland und Frankreich flexibel gegensteuern.

Und das Verhältnis zu Ungarn und Polen?

Man orientiert sich stark an Ungarns Regierungschef Viktor Orbán. Das ist nicht gut für Minderheiten. Das betrifft nicht nur Flüchtlinge, da lugt auch der Antisemitismus schnell hervor. Kurz hat seinen populistischen Wahlkampf durch das Bashing der Flüchtlinge gewonnen. Er kann aber die ÖVP auch nicht völlig vor den Kopf stoßen. Wenn er es zu weit treibt, bricht er die Brücken nach Deutschland ab. Außerdem ist es ein kleiner Staat. Wenn Kurz sich zu groß aufbauscht, wird er an anderen Sachen scheitern.

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