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DieMachtder weißen Berliner

Wie soll das Humboldt-Forum mit den ethnologischen Sammlungen umgehen, die – zumindest teilweise – unter kolonialen und gewaltsamen Umständen hierher kamen? Eine kleine Ausstellung in Treptow könnte für die Debatte beispielgebend sein

Von Susanne Memarnia

Das Humboldt-Forum schlägt zurück. Mit einer Serie von Veranstaltungen und Projekten will man dem Vorwurf begegnen, dass ein Großteil dessen, was von den außereuropäischen Sammlungen künftig im rekonstruierten Preußen-Schloss gezeigt werden soll, aus „Raubkunst“ bestehe. Die Botschaft, die die Stiftung Preußischer Kulturbesitz (SPK) als Betreiber des Humboldt-Forums in jüngster Zeit offensiv ins Land trägt: Wir beschäftigen uns sehr wohl mit der Herkunft der Objekte und sind sensibel für die womöglich gewaltsamen Kontexte ihrer Beschaffung. Vergangenen Donnerstag verkündete der Präsident der SPK, Herrmann Parzinger, das neueste Vorhaben: Die Provinienz von rund 1.000 Schädeln aus dem ehemaligen „Deutsch-Ostafrika“ soll erforscht werden. Das sei aufgrund des kolonialen Kontextes ein „schwieriges Kapitel“, so Parzinger. „Aber wir wollen das aufarbeiten zusammen mit den Herkunftsländern.“

Die Debatte ums Humboldt-Forum war im Sommer bundesweit ein Aufreger-Thema. Anlass war der Austritt der Kunsthistorikerin Bénédicte Savoy aus dem Beirat, der das Humboldt-Forum berät. Dieser sei eine bloße Pro-Forma-Veranstaltung, polterte Savoy. Zudem würde zu wenig Provinienzforschung betrieben, 300 Jahre Sammeltätigkeit seien wie Atommüll unter einer Bleidecke begraben, „damit bloß keine Strahlung nach Außen dringt. Das Humboldt-Forum ist wie Tschernobyl“.

Das Bündnis „NoHumboldt21“ sagt seit Jahren, der größte Teil der Sammlung sei in kolonialen Zusammenhängen erbeutet, die staatlichen Museen nicht die rechtmäßigen Eigentümer – und jedes einzelne Objekt müsse auf den Prüfstand. Großen öffentlichen Widerhall hatte diese Sichtweise nie gefunden. Erst nach Savoys Rücktritt stimmten viele in den Chor ein, Wissenschaftler, Museumsleute, Feuilletonisten meldeten sich zu Wort.

Die „human remains“ sind innerhalb der Debatte ein besonders heikler Punkt – einmal weil es um Tote geht und zweitens weil die Schädel fast alle im 19. und frühen 20. Jahrhundert in den damaligen Kolonien für wissenschaftliche, etwa „rassekundliche“, Zwecke „gesammelt“ wurden – was wohl nicht selten gestohlen hieß. Oft geschah dies im Auftrag derselben Leute, die auch ethnologische Sammlungen anlegten, in Berlin etwa der damaligen Kurator des Völkerkundemuseums, Felix von Luschan (siehe Interview Seite 45).

Das Humboldt-Forum jedenfalls reagierte auf die geballte Kritik empört: Seit Jahren arbeite man in diesem Feld, „Provenienzforschung ist die DNA der Institution“, entgegneten die Gründungsintendanten Neil MacGregor, Parzinger und Horst Bredekamp.

Ist das wirklich so? Kürzlich stellte die SPK die Behauptung selbst in Frage, wenn auch mehr rhetorisch. Es war bei einem Diskussionsabend in den Dahlemer Museen: Draußen protestierten Aktivisten der Initiative Berlin Postkolonial und der Initiative Schwarzer Menschen in Deutschland (ISD), dass hier – wieder einmal – nur weiße Deutsche miteinander diskutierten, während Schwarze Menschen und ExpertInnen aus den Herkunftsländern der Objekte nicht gehört würden. Drinnen gab Parzinger zu, dass in Sachen Provinienzforschung in der Tat „zu wenig gemacht“ worden sei. Fast demütig dankte er den ProtestlerInnen draußen für ihre Kritik, die aufmerksam mache auf das Problem und die Politik hoffentlich bewegen werde, mehr Geld für Forschung in diesem Bereich zu geben.

Wie aber soll Berlin nun mit diesen historischen Sammlungen umgehen? Larissa Förster, Ethnologin an der FU, erklärte bei der Veranstaltung, Vorbild könnten die USA sein. Dort müssten die Museen Listen anfertigen ihrer Bestände von den „First Nations“ – und diese dürften entscheiden, was sie zurück wollen und was die Museen ausstellen dürfen. Dies sei auch „unser Vorbild“, stimmte Parzinger zu. Man brauche langfristige Kooperationen mit den Herkunftsgesellschaften, müsse gemeinsam die Bestände erforschen. Und: „Bei Unrechtskontexten muss man über Rückgabe sprechen.“

Hermann Parzinger, SPK

Klingt gut, aber wird es so auch umgesetzt? Wie ist es zum Beispiel um die Provinienzforschung bei der kommenden Ausstellung der SPK „Unvergleichlich: Kunst aus Afrika im Bode-Museum“ (Eröffnung Ende Oktober) bestellt? Die Kommunikationsleiterin der SPK erklärt: Man habe „jedes Objekt aus dem Ethnologischen Museum anhand der in den Staatlichen Museen zu Berlin vorhandenen Quellen (Eingangsbücher, Inventare, Akten, Archivalien etc.) untersucht“. Teilweise seien auch Forschungen darüber hinaus gemacht worden. Aber: „In vielen Fällen ergibt die Quellenlage keine Auskunft, auf welche Art und Weise das Objekt in Afrika erworben wurde.“ Ausgestellt werden die Sachen trotzdem – auch solche, „für die bekannt ist, dass ihre Erwerbung in einem Kontext mit Gewaltanwendung in den Herkunftsländern stand“.

Wie es anders gehen kann, zeigt ab kommenden Freitag eine neue Ausstellung im Museum Treptow. „Zurückgeschaut“ befasst sich mit der Ersten Deutschen Kolonialausstellung 1896 im Treptower Park. Das Besondere ist nicht nur, dass es die bundesweit erste Daueraussstellung zur deutschen Kolonialgeschichte ist, sondern vor allem, dass sie eine Kooperation von Museumsleuten mit den Initiativen ISD und Berlin Postkolonial ist. Die Perspektive und Expertise Schwarzer Menschen und kolonialkritischer Experten sei ganz entscheidend gewesen für das Konzept der Ausstellung, erklärt Matthias Wiedebusch, einer der Kuratoren des Museums. „Wir hoffen, dass wir damit einen Anstoß für andere Museen geben.“

Die Kolonialaustellung im Treptower Park und ihre „Schauspieler“, Seite 43, 44/

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