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Die Geschichte vom bösen Wolf

ARTENSCHUTZ In Niedersachsen leben Schätzungen zufolge rund 100 Wölfe. Immer wieder kommt es vor, dass sie Weidetiere reißen. Der Herdenschutz ist aufwendig. Mancher Schäfer denkt deshalb schon ans Aufgeben

von Andrea Scharpen

Wenn die Lämmer im Winter zur Welt kommen, weiß Günter Bokelmann, warum er sich das alles antut. „Das ist das Highlight“, sagt der 57-Jährige, der seit 40 Jahren Schafe hält. Er macht das neben seinem Beruf als Gruppenleiter in einer Behindertenwerkstatt. Die Schafe stehen auf kleinen, unebenen Weiden mit Obstbäumen darauf.

Dort, wo die Bauern mit ihren großen Maschinen nicht hinkommen, sind rund um das Dorf Heiligenloh im Landkreis Diepholz seine Schafe als Rasenmäher gefragt. Doch manchmal, wenn Bokelmann morgens auf die Weide fährt, findet er nur noch ihre zerfetzten Körper.

„Beim ersten Mal in diesem Jahr hat der Wolf mir drei Bocklämmer gerissen“, sagt Bokelmann, der dafür noch keinen DNA-Beweis hat. Fast acht Monate waren die Böcke alt und schon bei Ebay eingestellt. Der Schafhalter wollte sie für die Zucht verkaufen. Anfang September kam der Wolf zurück und tötete auch die letzten beiden Zuchtlämmer. „Ich dachte, auf diese Weide geht er nicht“, sagt Bokelmann ratlos. Sie lag zwischen Wohnhäusern, an einer Bundesstraße.

Der Herdenschutz ist für den Schäfer nicht einfach. Nach den Wolfsrissen hat er seine Herde von 28 auf 13 Schafe reduziert. Sie standen im Wechsel auf insgesamt 13 kleinen Weiden in der Region. Hütehunde rechnen sich da nicht. Und auch geeignete Zäune machen ihm allein schon wegen der großen Anzahl der Weiden Probleme.

Zwar hatte er einen Zaun und Elektrodrähte, um seine Tiere zu schützen, aber nicht so viele, wie vom Land empfohlen. Er bekomme deshalb keinen Ausgleich für die toten Schafe. „Das macht alles unglaublich viel Arbeit und kostet viel Geld“, klagt der Schafhalter. „Und eine große Weide kann ich mir nicht leisten, weil ich mit den Pachtpreisen nicht mithalten kann.“

Er überlege sogar, mit der Schafhaltung aufzuhören. „Wir züchten die Tiere ja nicht, um den Wolf zu füttern.“ Er sagt das bitter. 90 Prozent der Menschen auf dem Land seien gegen den streng geschützten Wolf, sagt Bokelmann. Er auch. „Der sollte bejagt werden dürfen.“ Wolfsbefürworter kämen alle aus der Großstadt. „Unsere Probleme wollen die gar nicht hören.“

In Niedersachsen leben nach Schätzung des Wolfsbüros, das 2015 vom Umweltministerium gegründet wurde, rund 100 Wölfe. Ganz genau kann man das nicht sagen, denn die Tiere sind scheu. „Es hat in Niedersachsen bisher keine Nahbegegnungen gegeben“, sagt Herma Heyken, die Pressesprecherin des Wolfsbüros. Sie meint damit, dass noch nie ein Wolf an einem Spaziergänger geschnüffelt oder ihn gar gebissen hat.

Anfang September kam der Wolf zurück und tötete die beiden letzten Zuchtlämmer

Dennoch veranlasste das Umweltministerium im vergangenen Jahr erstmals den Abschuss eines Wolfes, der die Scheu vor Menschen verloren hatte.

Auch die Wölfin aus Goldenstedt, von der Schafshalter Bokelmann vermutet, dass sie in seiner Herde zugeschlagen hat, ist im Wolfsbüro keine Unbekannte. Es habe schon vorher Nutztierrisse gegeben, sagt Heyken. Doch dort, wo die Schutzmaßnahmen wie hohe Zäune angewendet würden, gingen die Zahlen der Risse zurück.

Denn eigentlich ernähren sich Wölfe von Rehen, Wildschweinen oder auch kleinen Tieren wie Hasen – und schützen so den Wald. Die Wölfe erhöhen den Jagddruck auf das Wild, von dem es in den Wäldern zu viel gibt und das die Rinde von jungen Bäumen frisst. Zudem schnappen sich die Wölfe oft schwache oder kranke Tiere und helfen auch damit der Wildtierpopulation. Ein Ökosystem reguliert sich selbst.

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