Trittins Comeback

Grüne Die grüne Spitzenkandidatin Katrin Göring-Eckardt hatte angekündigt, dass der Linke Jürgen Trittin nicht zum Sondierungsteam gehören werde. Jetzt ist er doch dabei

Soll den Weg in die Koalition weisen: Jürgen Trittin Foto: Jens Jeske

von Ulrich Schulte

BERLIN taz | Nach außen soll alles so aussehen, als hätten sich die Grünen einhellig auf ein 14-köpfiges Sondierungsteam geeinigt. „Wir wollen dem Länderrat ein starkes Team vorschlagen“, sagte Grünen-Spitzenkandidatin Katrin Göring-Eckardt am Dienstag.

Doch in Wirklichkeit enthält der Deal eine handfeste Überraschung: das Comeback Jürgen Trittins, der im Sondierungsteam sitzen soll. Eigentlich hätte der 63-Jährige bei Gesprächen über ein Jamaika-Bündnis, die bald anstehen, nichts zu suchen. Trittin ist nur noch einfacher Abgeordneter aus Göttingen, die Partei, getrieben von wichtigen Realos, verbannte ihn nach der Wahlniederlage 2013 auf die Hinterbank. Jetzt wird er zu einem wichtigen Player bei der Frage, wie hart die Grünen Jamaika verhandeln.

Die Personalie ist auch eine Niederlage für Spitzenkandidatin Göring-Eckardt. Sie wollte Trittin, der als Schwarz-Grün- und Jamaika-Skeptiker gilt, am liebsten außen vor halten. Im August ging sie so weit, dies auch öffentlich zu verkünden. „Herr Trittin wird in möglichen Koalitionsverhandlungen keine Rolle spielen“, sagte sie damals der Rheinischen Post. Die harsche Ansage sorgte für Irritationen bei den Grünen, gerade im linken Flügel. Ein „Par ordre du mufti“-Erlass gegen ungeliebte Parteifreunde? „Das war ein Fehler von Katrin“, hieß es danach in der Partei. Damit habe sie Trittins Chancen, nach der Wahl mitzureden, eher verstärkt. So ist es nun gekommen. „Die Einsicht wuchs, dass wir für die schwierigen Verhandlungen Profis mit viel Erfahrung brauchen“, heißt es in der Grünen-Spitze diplomatisch.

Das Sondierungsteam ist sorgsam zusammengestellt, um alle Strömungen und Vorlieben abzudecken. Es ist paritätisch besetzt – nach Geschlechtern und Parteiflügeln. Den Kern bilden die beiden Spitzenkandidaten Göring-Eckardt und Cem Özdemir, Fraktionschef Anton Hofreiter, die Parteichefin Simone Peter, Fraktionsgeschäftsführerin Britta Haßelmann und Michael Kellner, der Politische Bundesgeschäftsführer.

Darum herum gruppieren die Grünen weitere PolitikerInnen aus Bund und Ländern: Winfried Kretschmann, Baden-Württembergs Ministerpräsident, redet mit, ebenso Robert Habeck, Energiewendeminister in Schleswig-Holstein, der bei der Urwahl ein respektables Ergebnis einfuhr. Dass die wichtigen Player aus grünen Landesregierungen mit dabei sind, war erwartet worden.

Im „Spiegel“-Interview legte Trittin die Latte für Jamaika schon mal recht hoch

Außerdem sitzen die ehemaligen Parteivorsitzenden Claudia Roth und Reinhard Bütikofer und die Bundestagsabgeordneten Annalena Baerbock, Agnieszka Brugger und Katja Dörner in der Sondierungsgruppe. Baerbock, Brugger und Dörner, kluge, toughe und junge Frauen, werden in der Fraktion häufig genannt, wenn es um künftige Führungsaufgaben geht, etwa den Parteivorsitz. Ein Länderrat muss dieses Sondierungsteam am Sonntag noch absegnen – das gilt jedoch als reine Formalie. Hofreiter sagte, das Team sei eine Mischung aus erfahrenen und jungen Leuten, es repräsentiere viele Gruppen und Themen. „Das entspricht der pluralen Haltung unserer Partei.“

Dass Trittin dabei ist, ist gerade für den linken Parteiflügel wichtig. Viele Linksgrüne stehen einem Jamaika-Bündnis skeptisch gegenüber, manche argumentieren, zu viele Zugeständnisse könnten die Ökopartei in eine Existenzkrise führen. Wenn Trittin einen Beschluss des Sondierungsteams mitträgt, Koalitionsverhandlungen zu empfehlen, hätte das viel Gewicht. Er könnte zögernde Linksgrüne überzeugen. Ein Parteitag würde dann Ende Oktober über den Eintritt in Koalitionsverhandlungen entscheiden. Umgekehrt wäre es für die Grünen-Spitze ein Problem, wenn Trittin gegen Jamaika arbeitete.

Dass er die Grünen nicht billig verkaufen will, deutet sich bereits an. Am Dienstag nannte er im Spiegel ein paar Inhalte. CSU und FDP hätten sich weit rechts von Merkel positioniert, etwa in der Flüchtlingspolitik, beim Nachzug von Familienangehörigen oder bei der Frage, in welche Länder abgeschoben werden dürfe, sagte er: „Das war falsch.“ Weiter sagte er: Die Grünen müssten in der Sozialpolitik etwas für die Interessen der jüngeren Generation tun, indem sie für eine Garantierente und die Bürgerversicherung sorgten. Das meiste davon lehnt die Union strikt ab. Trittin legt die Latte schon mal recht hoch.