: Bedrückende Szenen
Theater Die Schauspielertruppe „Das letzte Kleinod“ über ein Leben im syrischen Krieg
Der 19-jährige Rias musste um seine Fassung ringen. Nur stockend konnte er auf Deutsch erzählen, was er vor zwei Jahren in seiner syrischen Heimat hautnah erlebte: Kurz vor einer Moschee stoppte neben einem Trauerzug mit Sarg ein Auto, das einfach explodierte. Die Autobombe hatte verheerende Folgen. Gliedmaßen und Körper flogen durch die Gegend – „und überall war Blut“. Diese Szene verfolge den Jugendlichen bis heute in seinen Träumen, sagte der Autor und Regisseur Jens-Erwin Siemssen vom Theaterprojekt „Das letzte Kleinod“ am Dienstag in Bremerhaven-Schiffdorf. Er hat die Erlebnisse von Rias und anderen Flüchtlingen zum dokumentarischen Theaterstück „Wir haben die Angst gefressen“ verdichtet. Vom 13. September an ist das Stück auf Bahnhöfen rund um Bremerhaven zu sehen. Aufgeführt wird das Stück in dem ozeanblauen Zug der Theatergruppe inmitten der Zuschauer. 15 jugendliche Flüchtlinge zwischen 15 und 22 Jahren aus Syrien und vier professionelle Schauspieler sind an dem Projekt beteiligt, das Geschichten über den Alltag in Syrien vor und während des Krieges erzählt. In den Medien komme dieser Krieg nur noch am Rande vor: „Da ist es umso wichtiger, die Gründe zu nennen, warum sie aus ihrer Heimat geflohen sind.“ Erzählt wird von einer fröhlichen Hochzeitsfeier, dem Schulalltag, aber auch von dem Autobomben-Attentat und Folterszenen, die ein damals 14-Jähriger erdulden musste. Weil die Szenen teilweise eine sehr bedrückende Wirkung entfalteten, sei das Stück für Kinder unter 14 Jahren nicht geeignet, betonte Siemssen. Es werde deutlich, warum die jungen Menschen ihre Heimat verließen und sich auf das Wagnis einer lebensgefährlichen Flucht begaben, um schließlich nach Deutschland zu kommen. Aber auch die Sehnsucht nach der Heimat und den in Syrien verbliebenen Familienangehörigen werde deutlich. Die Theatergruppe aus Schiffdorf ist für ihre ungewöhnlichen Inszenierungen unter freiem Himmel oder im Theaterzug bekannt. Die Vorstellungen werden jeweils nach den Erzählungen von Zeitzeugen gestaltet und an originalen Schauplätzen inszeniert. So wurden bereits eine unbewohnte Insel, ein Tiefkühlhaus, eine leere Kaserne, eine Kirche oder eine Hafenkaje zu Schauplätzen. Die Gruppe verfügt über Deutschlands einzigen Theaterzug. (epd)
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen