: Freiheit inder Nische
Öffnung oder Abschottung „Startschuss Hamburg“ ist ein explizit schwul-lesbischer Sportverein. Dass es Vereine wie diesen braucht, liegt auch daran, dass sich Homosexuelle in „normalen“ Sportvereinen ständig erklären müssen
von André Zuschlag
Selbst wenn eines Tages Homophobie auch im Sport keine Rolle mehr spielen sollte, müsste es Sportvereine wie „Startschuss Hamburg“ weiterhin geben, findet Danilo Schmogro. „Es wäre auch dann noch wichtig, dass es diesen Verein gibt, um mit Gleichgesinnten in Kontakt zu kommen und sich auszutauschen“, sagt Schmogro, der bei Startschuss Tennis spielt und auch im Vorstand sitzt.
Den Verein gibt es mittlerweile bereits seit 27 Jahren. Damals hatten sich gerade einmal ein Dutzend Schwuler zusammengefunden, aber nach der Gründung stieg das Interesse rasch an. Mittlerweile hat der Verein mehr als 750 Mitglieder. Vorbilder waren zuvor in Köln, Berlin und Frankfurt gegründete, explizit schwule Sportvereine. Mitte der 1990er öffnete sich der Verein auch für Lesben.
Da es im Breitensport gegenwärtig – mal mehr, mal weniger – noch immer offene Homophobie gibt, ist ein Sportverein wie Startschuss in erster Linie ein geschützter Raum. Das Nischendasein ermöglicht ein Stück weit Freiheit für Homosexuelle. „Erst vor wenigen Jahren haben wir begonnen, die genauen Adressen der Trainingsorte zu veröffentlichen“, sagt Florian Kloth, der mit Schmogro im Vorstand sitzt und Volleyball spielt.
Als die Volleyballer von Startschuss vor rund 15 Jahren begannen, am Ligabetrieb in Hamburg teilzunehmen, gab es hier und da noch Vorbehalte und Sprüche von manchen Gegnern. „Aber die Antwort haben wir dann auf dem Feld gegeben“, sagt Kloth. Spätestens nach der zweiten Saison war die Homosexualität für die Gegner kein Thema mehr.
19 Sportarten sind bei Startschuss mittlerweile vertreten – von Basketball und Tischtennis über Kung-Fu bis zum Yoga und Stand-up-Paddling. Mit vielen Sportarten nimmt der Verein am Ligabetrieb teil – weil er eben auch ein normaler Sportverein sein will. Bei den meisten Sportarten sei die Entwicklung positiv, berichten die Vorstandsmitglieder. Nur beim Fußball sieht es immer noch düster aus: Offene Diskriminierung ist kein Einzelfall. Auch deswegen nehmen die Fußballer nicht am offiziellen Ligabetrieb teil. „Die Berührungsängste sind wahrscheinlich so lange da, bis der erste schwule Nationalspieler ein paar Jahre erfolgreich gespielt hat“, glaubt Schmogro. Kloth sieht das ähnlich: „Wenn du in einer Mannschaft nicht zufällig den Trainer und die Leistungsträger hinter dir hast, hast du als Homosexueller im Fußball keine Chance.“
Dass ein Sportverein sich offensiv als schwul-lesbischer Verein präsentiert, ist natürlich ein politisches Statement. „Wir im Vorstand sind auch immer dafür, dass wir in Kontakt mit der Politik stehen und Aufmerksamkeit bekommen“, sagt Schmogro. Deshalb nimmt der Klub auch jedes Jahr mit Wagen und Ständen am Christopher Street Day teil oder ist auf dem Winter Pride vertreten. „Natürlich wollen wir damit zeigen, dass wir keine Paradiesvögel sind, wie man es aus dem Fernsehen kennt, sondern ein Sportverein mit vielen Angeboten“, erklärt Kloth. Gleichzeitig ist es für den Vorstand immer schwierig, bei solchen Veranstaltungen Mitglieder zu finden, die sich engagieren. „Die meisten Mitglieder wollen bei Startschuss in erster Linie Sport machen, da ist Politik erst einmal nebensächlich“, sagt Kloth.
Dass Menschen wie Schmogro und Kloth eben bei Startschuss ihren sportlichen Leidenschaften nachgehen und nicht bei „normalen“ Vereinen, habe dann auch gar nicht allein damit zu tun, dass andere Vereine bewusst homophob seien. Es sei eher so, dass man als Homosexueller dort einfach nicht der Norm entspreche.
„Die eigene Homosexualität ist überall ein Thema, ob im Beruf, im Freundeskreis oder in der eigenen Familie. Da will ich mich nicht auch noch beim Sport ständig erklären müssen“, sagt Schmogro. Bei Startschuss lerne man Gleichgesinnte kennen, schließlich gehe es im Breitensport nicht nur um die sportliche Leistung. „Da gibt es halt mehr Überschneidungen als in den anderen Vereinen“, sagt Schmogro.
Insgesamt, sagen sowohl Schmogro als auch Kloth, gehe es dem Verein, so wie er derzeit aufgestellt ist, ganz gut. Die Probleme, die er hat, sind dieselben, wie sie fast alle Vereine haben: sinkendes ehrenamtliches Engagement und steigender Altersschnitt.
Derzeit überlegen sie, ob sie nicht mit zwei anderen Vereinen ein Sportangebot für Jugendliche ab 16 Jahren anbieten wollen. „Der Aufwand ist allerdings riesig, das wird noch einige Zeit dauern“, erklärt Kloth. Wichtig wäre es allerdings: Kürzlich hat eine britische Studie herausgefunden, dass schwule, lesbische und bisexuelle SchülerInnen nur halb so häufig in ihrer Freizeit Vereinssport betreiben wie ihre heterosexuellen AltersgenossInnen.
Es sei, so die Studie, nicht von der Hand zu weisen, dass Stigmatisierung und Diskriminierung beziehungsweise die Angst davor eine große Rolle für diesen Unterschied spielten. Es sieht so aus, als würden Vereine wie Startschuss noch eine Weile gebraucht.
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