: Nach Tüxit-Forderung: Türkische Regierung greift zum Tweet
ABSCHIED Die deutsche Position zur EU-Beitrittsverhandlung mit der Türkei haben Merkel und Schulz am Sonntagabend live im Fernsehen umgeworfen. Folgen hat die Kehrtwende vor der Wahl aber nicht mehr. Die Regierung in Ankara ist erbost
Am Vorabend hatten SPD-Kandidat Martin Schulz und Kanzlerin Angela Merkel en passant die deutsche Position zu den EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei abgeräumt. Im TV-Duell sagte zunächst Schulz, er würde sich als Kanzler dafür einsetzen, die Gespräche mit Ankara zu beenden. „Hier sind alle roten Linien überschritten. Der Punkt ist beendet.“ Merkel widersprach ihm zunächst. Dann änderte sie ihre Meinung und kündigte an, mit den EU-Regierungschef darüber zu sprechen, „ob wir zu einer gemeinsamen Position kommen können und diese Beitrittsverhandlungen auch beenden können“.
Merkels Sprecher sagte am Montag, dass entsprechende Gespräche vor der Wahl nicht mehr stattfinden werden. Die Kanzlerin wolle erst Ende Oktober über das Thema beraten, wenn sich der Europäische Rat das nächste Mal in Brüssel trifft.
Das Regelwerk der EU sieht vor, dass die Mitgliedsländer den Abbruch von Beitrittsverhandlungen einstimmig beschließen müssen. Bisher scheiterte das am Veto Deutschlands und anderer Staaten. Nur auf eine Formel hatten sich die meisten EU-Staaten bisher geeinigt: Führe die Türkei die Todesstrafe ein, sei eine rote Linie überschritten.
Eine ähnliche Formulierung schrieb sich die SPD ins Wahlprogramm. „Sollte die Türkei die Todesstrafe einführen, entscheidet sie sich offen gegen die Mitgliedschaft in der EU! Dann müssen die Beitrittsverhandlungen beendet werden“, heißt es darin. Abgesehen von diesem Fall sollten die Verhandlungen als „einziges kontinuierliches Gesprächsformat“ Europas mit Ankara aber weitergehen. Bis zum Fernsehduell hatte sich auch Schulz an diese Position gehalten. Schon zuvor hatte er aber gefordert, die Zahlung der Vorbeitrittshilfen an die Türkei zu streichen – was während laufender Beitrittsverhandlungen nicht so einfach ist. Die CDU sprach sich in ihrem Wahlprogramm gegen die EU-Mitgliedschaft der Türkei aus, forderte aber nicht explizit, die Verhandlungen mit Ankara abzubrechen.
Während die Bundesregierung ihre Position zu den EU-Beitrittsverhandlungen geändert hat, gibt es beim Thema Reisewarnung keine Neuigkeiten. Ein Sprecher des Auswärtigen Amts kündigte am Montag nur an, zu prüfen, die Reise- und Sicherheitshinweise für die Türkei weiter zu verschärfen. Am vergangenen Donnerstag waren erneut zwei Deutsche in der Türkei festgenommen wurde, eine der beiden Personen wurde mittlerweile wieder freigelassen.
Tobias Schulze
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen