: „Paradebeispiel für ethnische Säuberungen“
BIRMA Menschenrechtskommissar der UNO wählt scharfe Worte zur Massenflucht der Rohingya
Auslöser der Massenflucht war der Überfall der Rohingya-Rebellengruppe Arsa auf Polizei- und Militärposten. Dies war der Anlass für das Militär, Angehörige der in Birma (Myanmar) ungeliebten Volksgruppe über die Grenze zu treiben, erklärte am Montag der oberste Menschenrechtsschützer der Vereinten Nationen. „Es sieht alles aus wie ein Paradebeispiel für ethnische Säuberungen“, sagte der UN-Hochkommissar für Menschenrechte, Said Raad al-Hussein, vor dem UN-Menschenrechtsrat in Genf.
Die Behörden im mehrheitlich buddhistischen Birma wollten jetzt nur solche Flüchtlinge zurück ins Land lassen, die ihre Staatsbürgerschaft nachweisen können, sagte Said. „Das scheint ein zynischer Trick zu sein, eine große Anzahl Menschen ohne Chance auf Rückkehr zum Umzug zu bewegen“, so der Menschenrechtskommissar weiter. Satellitenbilder zeigten, wie Rohingya-Dörfer niedergebrannt und Zivilisten erschossen würden. Said warf der Regierung von Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi „komplette Realitätsverweigerung“ vor. Sie solle nicht länger so tun, „als ob die Rohingya ihre Häuser selbst anzünden und ihre Dörfer selbst verwüsten würden“.
Rohingya dürfen sich in Myanmar nicht so nennen. Offiziell werden sie Bengali genannt, was die ihnen vorgeworfene illegale Einwanderung aus Bangladesch unterstreichen soll. Birmas Staatsbürgerschaft bekommen Rohingya nur dann, wenn sie einen Wohnsitz über mehrere Generationen nachweisen können. Das ist angesichts der verbreiteten Armut, der tropischen Feuchtigkeit und der Blockade der Behörden kaum möglich. Schon in der Vergangenheit gab es immer wieder Pogrome an Rohingya. Nach dem Überfall der Arsa-Rebellen betrachten immer mehr Birmesen Rohingya als Terroristen.
Mit dem Begriff der ethnischen Säuberungen wählte der muslimische Diplomat Said die bisher schärfsten Worte eines hohen UN-Vertreters. Bisher hatten nur Menschenrechtsgruppen gelegentlich den Begriff benutzt. Kaum eine namhafte Organisation sprach bisher von „Völkermord“, wie dies vor allem Demonstranten in islamisch geprägten Ländern tun. Den Begriff wählte am Montag aber erstmals der Außenminister von Bangladesch, Abdul Mahmud, im Sender al-Dschasira. Mittlerweile leben mehr als 700.000 Rohingya in Bangladesch. Davon kamen 87.000 nach der letzten Krise im November.
Eine Sprecherin des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung sagte laut AFP, dass wegen des Konfliktes aktuell alle Projekte ihres Hauses in Myanmar ruhen würden.Sven Hansen
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