Im Interesse des toten Nazis

WAFFENFUNDE Die Polizei leugnet die geplante Vernichtung des Nazi-Nachlasses und verweigert im Interesse des Verstorbenen Auskünfte über dessen Verbindungen zur rechten Szene

Sie will es nicht gewesen sein. Anfang August soll die Polizei gegenüber einer Nachlassverwalterin fernmündlich verfügt haben, das gesamte Hab und Gut des verstorbenen Neonazis Lutz H. samt seiner persönlichen Korrespondenz zu vernichten. Die Korrespondenz aber hätte möglicherweise Aufschlüsse über seine Kontakte in die ultrarechte Szene und deren Strukturen geben können. Erst nach einem taz-Artikel stoppte die Polizei die Vernichtung im letzten Moment und sicherte das Material, an dessen Auswertung sich auch der Verfassungsschutz interessiert gezeigt hatte.

Gegenüber der taz bestätigte Polizeisprecher Holger Vehren damals, dass die Polizei die Vernichtung des Materials angeordnet hatte. Nun aber behauptet die Polizei in einer von ihr federführend beantworteten Senatsantwort auf eine parlamentarische Anfrage der Linken, eine entsprechende Vernichtungsverfügung habe das zuständige Landeskriminalamt nie erteilt.

Die Aussage ist möglicherweise richtig, führt aber auf die falsche Spur. Die Staatsschutzabteilung des Landeskriminalamtes war erst mit Verzögerung in den Fall eingeschaltet worden. Die Anordnung, das Hab und Gut von Lutz H. zu beseitigen, wurde nach Recherchen der taz vom zuständigen Polizeikommissariat 31 ausgesprochen. Und die Anfragestellerin Christiane Schneider, innenpolitische Sprecherin der Hamburger Linken, hatte explizit gefragt, ob „die Polizei die Vernichtung der Nazi-Propagandamaterialien verfügt“ habe. Vom Landeskriminalamt war nicht die Rede.

Am Tag nach der taz-Veröffentlichung hatte die Polizei die Vernichtung von Lutz H.s ehemaligen Besitztümern gestoppt, einen weiteren Tag später konfiszierte sie in Begleitung des Verfassungsschutzes das Material, dass sie zuvor für den Schredder freigegeben hatte. Auf ihre Frage, was für Dokumente, Akten und Dateien die Beamten dabei sichergestellt hätten, erhielt Schneider keine Auskunft – „um einen möglichen Ermittlungserfolg nicht zu gefährden“.

Auch Auskunft über mögliche Verbindungen des 70-jährigen Verstorbenen zur rechtsextremen oder -militanten Szene verweigert die Senatsantwort. Einer Bekanntgabe möglicher Erkenntnisse des Verfassungsschutzes stünden die Interessen des Toten, aber auch das Staatswohl entgegen.

Immerhin erteilt der Senat Auskunft über die Strafakte des Toten. Danach wurde er 2007 zu einer Geldstrafe verdonnert, weil er in der Öffentlichkeit einen Hakenkreuz-Aufnäher trug. 2015 wurde ein Verfahren wegen illegalen Waffenbesitzes eingestellt, Anfang 2017 wurde er gleich zweimal wegen illegalen Waffenbesitzes zu einer Geldstrafe verurteilt.

In der Hohenfelder 3-Zimmer-Wohnung hatte die Polizei nach eigenen Angaben 15 Schusswaffen und 4.622 Schuss Munition sichergestellt. Alle anderen Fragen der Linksfraktion beträfen laut Senatsantwort „die laufenden Ermittlungen der Polizei“ und würden daher nicht beantwortet. marco carini