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„Die Integration läuft verkehrt“

migration Vor einem Jahr schloss der Verband „Initiativen für erfolgreiche Integration“ mit dem Senat einen Vertrag für die dezentrale Unterbringung von Geflüchteten. Nun zieht Sprecher Klaus Schomacker Bilanz

Die Initiative

Der Verband „Initiativen für erfolgreiche Integration“ ist aus örtlichen Bürgerinitiativen entstanden, die sich sorgten, dass in ihrem Stadtteil sehr groß und deshalb zu Integrationsproblemen führende Flüchtlingsunterkünfte entstehen könnten.

Aufgrund des Bürgervertrages, den er mit dem Senat geschlossen hat, wurde die Stadt in 940 Gebiete aufgeteilt und je nach deren Eigenschaften festgelegt, wie viele Geflüchtete sie aufnehmen sollen.

Interview Marco CariNi

taz: Herr Schomacker, welche Fortschritte macht die Integration Geflüchteter in Hamburg?

Klaus Schomacker: Das ist von Bereich zu Bereich sehr unterschiedlich. Das Grundproblem ist, dass kein genereller Perspektivwechsel stattgefunden hat. Die Stadt reagiert auf neue Herausforderungen mit alten Antworten. Sie versucht, alle Integrationsaufgaben mit dem zu lösen, was sie die „bestehenden Regelsysteme“ nennt: Also etwa mit der Agentur für Arbeit und den existierenden freien Trägern. Wir halten diesen Ansatz für dramatisch verkehrt. Die Regelsysteme sind auf diese besondere Herausforderung überhaupt nicht vorbereitet und mit den neuen Aufgaben völlig überfordert. Wer alles mit Bordmitteln machen will, riskiert dramatische Verzögerungen und bedient sich nicht vorhandener Kompetenz, die von außen kommt.

Ein Beispiel?

Wir haben 51.000 Flüchtlinge in Hamburg und viele von Ihnen sind durch ihre Herkunfts- und Fluchtgeschichte traumatisiert. Wenn ein Mensch traumatisiert ist, ist es fast unmöglich, ihn zu motivieren und zu befähigen, Deutsch zu lernen, regelmäßig Fortbildungskurse zu besuchen oder gar einen Arbeitsplatz durchzuhalten. Doch es fehlen Trauma-Therapeuten. Jeder weiß, wie schwierig es ist, eine Therapiestunde zu bekommen.

Wie wollen Sie das lösen?

Es gibt einen Verein namens Action Integration, der sich um solche Therapieansätze kümmert, bei dem viele Psychotherapeuten und Psychologen mitarbeiten, die bereit wären, einen Teil ihrer Arbeitskraft in die psychische Integration von Geflüchteten zu stecken. Diese Hilfe wäre schnell verfügbar und sehr kostengünstig, man könnte innerhalb von drei Jahren jeden traumatisierten Flüchtling einer Traumatherapie zuführen. Wir haben diese Alternative in die Gespräche um den Bürgervertrag eingebracht, doch die Reaktion war: Das machen wir mit den Regelsystemen. Die Konsequenz ist, dass fast nichts passiert ist und das ist symptomatisch für viele Bereiche.

Was muss passieren, damit Integration besser gelingt?

Das wichtigste wird sein, den Geflüchteten eine Arbeits- und damit auch eine Lebensperspektive zu bieten. Die Kernfrage lautet: Wie viel Leute bekommen wir schnell in Ausbildung und Arbeit? Es wird nicht funktionieren, die Menge an Menschen, die zu uns gekommen sind und bleiben werden, allein mit konventionellen Maßnahmen in kurzer Zeit etwa in Ausbildung und Arbeit zu bringen.

Aber gerade in diesem Bereich gibt es Erfolgsmeldungen.

Da muss man genau hinschauen. Vor kurzem hat mich SPD-Fraktionschef Andreas Dressel stolz auf einen Bericht hingewiesen, nachdem 312 jugendliche Flüchtlinge eine Ausbildung im Handwerksbereich machen. Aber: 312 von wie vielen? Von 3.000? Von 7.000? Das sind Schlaglichter, die den Blick auf das Ganze eher verstellen.

Was sind die Alternativen?

Wir hatten die Idee, dass jeder Flüchtling zeitgleich zu seiner Registrierung ein Profiling bekommt, um festzustellen, was er mitbringt und was er hier erreichen will. Das heißt: aus der Perspektive des Flüchtlings seine Integration unterstützen. Die Politiker sagen: Wir haben doch das W.I.R(Work and Integration for Refugees)-Programm. Da sind knapp 2.000 Menschen drin untergebracht. Wir aber brauchen Ausbildungs- und Arbeitsplätze für 30.000 bis 40.000 Menschen. Wir müssen endlich die Transfergesellschaften, die es in Hamburg gibt, einbinden und wir brauchen Ausbildungsplatzgarantien für Flüchtlinge mit Bleibeperspektive von der Wirtschaft.

Welche Ressourcen hätte der Senat noch?

Bei dem abgewickelten Beschäftigungsträger Hamburger Arbeit, der Langzeitarbeitslose wieder in Arbeit bringen sollte, waren Tausende Menschen beschäftigt. Es wäre zu überlegen, ob man heute eine ähnliche Struktur braucht, um gezielt Qualifikation zu betreiben. Wir müssen alles Mögliche probieren: Die Kosten misslungener Integration sind immens, wenn es nicht gelingt, dass die Migranten von heute morgen ökonomisch für sich sorgen können. Wer ewig am Tropf der Gesellschaft hängt, produziert nicht nur immense Kosten, sondern führt auch ein Leben ohne Perspektive und Anerkennung.

Ihr Dachverband war aber vor allem angetreten, um die dezentralere Unterbringung von Flüchtlingen zu erreichen.

Uns ging es immer um eine gelungene Integration und dabei ist die Wohnsituation ein entscheidender Faktor. Anerkannte Flüchtlinge haben im Prinzip sofort Zugang zum Wohnungsmarkt. Öffentlich-rechtliche Unterkünfte sind integrationsschädlich und es gibt sie ja nur, weil es keine Wohnungen gibt. Was wir haben müssten, ist eine Öffnung des Wohnungsmarktes, um die Menschen dezentral unterzubringen. Dazu muss der Senat die Saga verpflichten, ihre Bestände für Flüchtlinge zu öffnen. Als wir diese Diskussion mit der Politik geführt haben, waren 18 Flüchtlinge in 130.000 Wohnungen der Saga.

Dann könnte eine verschärfte Konkurrenz auf dem Sozialwohnungsmarkt entstehen.

Klaus Schomacker

63, ist Sprecher der „Initiativen für erfolgreiche Integration“ (IFI). Er war Betriebsratsvorsitzender und arbeitet jetzt als Unternehmensberater.

Die rot-grüne Landesregierung wollte um jeden Preis eine Konkurrenz auf dem Wohnungsmarkt zwischen Sozialhilfeempfängern und Flüchtlingen vermeiden. Dieser Wettbewerb existiert aber real. Er sollte nur verdeckt werden, denn jede bezahlbare Wohnung kann nur einmal belegt werden. Wenn in den jetzt entstehenden „Folgeunterkünften mit der Perspektive Wohnen“ die Bevölkerung von vornherein stärker durchmischt würde, könnte man dafür mehr Flüchtlinge in den normalen Wohnungsmarkt integrieren. Die Wohnungsbilanz bliebe dieselbe. Wir hatten einen Viertelmix vorgeschlagen: ein Viertel sozialer Wohnungsbau, ein Viertel Flüchtlinge, ein Viertel normaler Mietwohnungsbau und ein Viertel Eigentumswohnungen.

Dezentrale Unterbringung bedeutet aber auch Vereinzelung von Geflüchteten, die noch keine Wurzeln und nicht die Kompetenz haben, sich in diesem System zurechtzufinden, ohne soziale und pädagogische Infrastruktur.

Es wird so getan, als wäre eine Unterkunft für unter 80 Personen nicht mehr zu betreuen. Für diese Annahme gibt es keinen Grund. Wir haben ja auch Pflegedienste, die hilfsbedürftige Menschen dezentral betreuen und wir leben im Informationszeitalter.

Was wäre der wichtigste Baustein für eine gelungene Integration?

Dass alle Aktivitäten und Ansätze zentral koordiniert, gebündelt und zu einem Perspektivenwechsel miteinander verbunden werden von einer Zentralen Koordinationsstelle für Migration. Es gibt viele in unterschiedlichen Behörden verteilte Zuständigkeiten und damit immense Schnittstellenprobleme. Es gibt Bereiche, für die sich niemand verantwortlich fühlt, aber auch Komplexe, wo aneinander vorbeigeplant wirf. Wir haben die Einrichtung einer solchen Koordinationsstelle mit der Stadt verbindlich besprochen. Doch die steht da auf der Bremse.

Warum?

Eine solche Stelle einzurichten, hieße für einzelne Behörden, Kompetenzen abzugeben und sich einzugestehen, dass man so eine Querschnittsfunktion unbedingt braucht. Dass hier nichts passiert, wird uns eines Tages noch auf die Füße fallen.

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