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Kommentar von Thomas Schumacher über illegale Fahrrinnen im WattenmeerDreiste Naturzerstörung

Die Behörden machen sich durch die „Duldung“ solcher Fälle lächerlich

Juist heißt auf Platt „Töwerland“, das bedeutet „Zauberland“. Und derzeit macht die ostfriesische Insel ihrem Namen alle Ehre. Denn wie nun entdeckt wurde, gibt es für Schiffe offensichtlich eine neue, schnurgerade Passage zur Insel. Und Behörden und Reederei tun so, als wäre gar nichts passiert. Dabei steht der Vorwurf im Raum, dass die Fähren seit Jahren den direkteren Weg vom Festland zur Insel nehmen – und so den Wattboden nach und nach aufgeritzt haben. Das ist vermutlich illegal, sie greifen ohne Genehmigung extrem in die Wasserdynamik und das Watt im Nationalpark Wattenmeer ein.

Es ist kaum zu fassen, mit welcher Dreistigkeit Unternehmen und Gemeinde sich das Recht nehmen, aus Profit­interessen die Natur zu zerstören – unter der Beihilfe von Behörden. Das Etikett „Welterbe“ des Nationalparks geht ihnen an der Schiffsschraube vorbei.

Welchen Weg die Schiffe nehmen, ist deutlich zu sehen. Man stelle sich nur an die Mole in Norddeich und schaue zu der sieben Kilometer entfernten Insel Juist hinüber: Die Fährfahrt lässt sich beobachten, bis die Schiffe im Juister Hafen verschwinden. Zwei Mal am Tag hin und zwei Mal zurück. Radar beobachtet die gesamte deutsche Küste, kein Strohhalm kann da unsichtbar bleiben.

Die Wasser- und Schifffahrtsverwaltung (WSA) bestreitet, dass eine neue Fahrrinne nach Juist gebaggert wurde – das stimmt, denn dieser Vorwurf wurde auch nicht erhoben. Die Reederei AG Norden Frisia erklärte, ihre Kapitäne nutzten für ihre Touren zweimal täglich „Trampelpfade“. Sie gibt damit das Vergehen zu – verharmlost es aber. Dass sie damit Dieselkosten einspart, verschweigt sie.

Laut Nationalparkgesetz darf nichts ins Wattenmeer verbracht oder herausgeholt werden, was da nicht hingehört. Jede Kabelverlegung, jede Verklappung, jede Küstenschutzmaßnahme, die Muschelfischerei – alles braucht eine Ausnahmeregelung.

Na gut – die Regel ist, dass fast alles genehmigt oder geduldet wird. Vor Jahren baute die Insel Langeoog illegal einen Golfplatz. Der wurde von allen Behörden geduldet. Erst nach Jahren musste die Inselgemeinde eine Strafe von knapp 3.000 Euro zahlen – läppisch. Der Golfplatz wurde im Nachhinein legalisiert. In Bensersiel wird illegal eine Umgehungsstraße gebaut – mitten durch ein Vogelschutzgebiet. Nur wegen des Engagements des Grundstücksbesitzers ist die Sache jetzt vor Gericht.

Und nun stecken bei der WSA, Wasserschutzpolizei oder Nationalparkverwaltung alle mit ihren Köpfen im Wattboden, um ja nichts von der neuen Fahrrinne zu sehen. Die Behörden machen sich durch die „Duldung“ solcher Fälle lächerlich.

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