Von der Politik hängen gelassen

Helfen II Dinah Riese unterstützte Geflüchtete bei der schwierigen Wohnungssuche in Neukölln. Bis sie nicht mehr konnte

Zwei Jahre ist es nun her, dass Bundeskanzlerin Merkel (CDU) diesen Satz sagte – „Wir schaffen das.“ Ein halbes Jahr hat es gedauert, dann war ich geschafft – weil die Politik in Deutschland diejenigen, die es schaffen wollten, ziemlich hat hängen lassen.

Im Sommer 2016 war ich Teil der AG Wohnungssuche in Neukölln, in der ehrenamtliche HelferInnen Geflüchtete bei der Wohnungssuche unterstützen – immer zwei bis drei Leute zusammen mit einer Familie oder Einzelperson. Selbst mittel- bis gutverdienende Menschen mit deutschem Pass und deutschem Nachnamen finden in Berlin schwer Wohnungen. Umso schwieriger ist es für eine Familie, die kein bis wenig Deutsch spricht und einen arabischen Nachnamen hat. Wir haben damals zusammen mit einer vierköpfigen Familie aus Aleppo gesucht. Ergebnislos. Die Summe, welche das Lageso zu zahlen bereit war, war ein Witz. Für vier Personen sind das 587,35 Euro bruttokalt, mit Betriebskosten sind das knapp 705 Euro monatlich.

Offensichtlich haben die Personen, die sie berechnet haben, schon lange keine Wohnung mehr gesucht. Eine Drei- oder Vierzimmerwohnung zu diesen Konditionen zu finden ist schwer. Überbelegung – also etwa eine Zweizimmerwohnung für vier Personen – schließt das Lageso aus. Das ist mit Blick auf die Menschenwürdigkeit der Unterbringung ja gut – aber dann muss eben ausreichend Geld her.

Viele Wohnungsbaugesellschaften akzeptieren außerdem nur Mietverträge mit einer Dauer von mindestens 15 Monaten. Die syrische Familie war aber noch mitten im Verfahren und hatte deswegen keine unbefristeten Aufenthaltstitel. Auch wenn ihr Herkunftsort Aleppo ein ziemlich sicheres Indiz dafür war, dass sie auch 15 Monate später noch hier sein würden, mit Asyl oder doch zumindest subsidiärem Schutz.

Die wenigen Wohnungen, die für eine Besichtigung überhaupt in Frage kamen, waren in schlechtem Zustand oder zu klein. „Da sollen wir wohnen?“, fragte mich der Vater bestürzt. „Etwas anderes gibt es halt nicht“, hätte ich vor Verzweiflung beinahe geantwortet. Ich habe es nicht getan – ich hätte in dieser Wohnung auch nicht wohnen wollen. Irgendwann bin ich aus der Gruppe ausgestiegen. Wegen zu wenig Zeit und zu viel Erschöpfung. Und mit einem sehr schlechten Gewissen. Dinah Riese

Die Autorin (28) war taz-Volontärin und ist seit 2017 taz-Redakteurin bei tazzwei/Medien.