: Unverwüstliches Durchhalte- vermögen
Jubiläum Eine Ausstellung über Radsportlegende Erich „Wüste“ Hoffmann und den Berliner Radsport zwischen 1934 und 1950 zeigt vor allem eins: wie frenetisch damals die Helden auf zwei Rädern gefeiert wurden

von Frank Hermann
Das Rad wurde nicht vor 200 Jahren erfunden, wohl aber das Zweirad. Als Beginn der Geschichte des Fahrrads wird das Jahr 1817 angesehen. Ein badischer Forstbeamter namens Karl von Drais stellte eine Laufmaschine vor, die später auch Draisine und Velocipede genannt wurde. Dies war das erste Zweirad mit Lenkvorrichtung, wenn auch noch eher ein Laufrad, da hier die Übertragung der Beinbewegung mittels der Pedale auf die Räder fehlte. Das sollte noch bis 1861 dauern – eine epochale Innovation.
Das Radfahren wurde schnell zur beliebten Fortbewegungsart, zunächst auch ganz schicklich für die Beifahrerin im Damensattel. Und bald entwickelte sich das Radfahren für besonders ehrgeizige Menschen zum Wettbewerbssport. Und mitunter kommt das Gefühl auf, dass manche Menschen auf Zweirädern auch im heutigen Straßenverkehr noch Geschwindigkeitsrekorde brechen wollen. Aber das ist eine andere Geschichte …
Spätestens in den 30er und 40er Jahren des 20. Jahrhunderts war Radsport zum Massenphänomen und von heutiger Warte aus zum Event geworden. National und international. Tausende von ZuschauerInnen – in den Hoch-Zeiten bis zu 30.000 – verfolgten Veranstaltungen wie das Sechstagerennen, ein Import aus New York (dort Sixdays genannt), oder das Rennen um das Blaue Band in der Werner-Seelenbinder-Halle. Bis heute ist die Tour de France das wichtigste Radrennen der Welt auf Hightech-Rädern, die längst nicht mehr an ihre Ururahnin, die Draisine, erinnern.
Radlegende im Bademantel
Anlässlich des 200. Fahrradjubiläums ehrt das Deutsche Technikmuseum eine Berliner Radsportlegende mit einer Sonderausstellung. 40 Schwarzweißfotografien zeigen Stationen aus der Karriere Erich Hoffmanns (1912–90), dem Berliner Radfahrer-Ass und Publikumsliebling. Die Bilder werden in der Schau „Wüüüste! Erich ‚Wüste‘ Hoffmann und der Berliner Radsport 1934–1950“ erstmals präsentiert. Sie spiegeln die frenetische Atmosphäre während der Rennen wider und zeigen zudem Situationen hinter den Kulissen verschiedener Berliner Radsportereignisse wie des Großen Preises von Berlin. Volkstümlich auch mit Porträts von Hoffmann im Bademantel beim Eintopf während einer Rennpause.
Skurril ist, wie angeblich der Bei- und Spitzname Wüste entstanden ist: Nach einer Verletzung bei einem Steherrennen in Erfurt 1949 siegte Hoffmann nur drei Monate später beim Rennen um das Blaue Band auf der Neuköllner Werner-Seelenbinder-Kampfbahn. Diese UnverWÜSTlichkeit und sein Durchhaltevermögen brachten ihm den Spitznamen „Wüste“ ein. Berliner Schnauze um vier Ecken.

Entdeckt wurde Hoffmann von einem anderen Radsport-Ass, dem Sechstage-Fahrer Willy Funda, dem Hoffmanns Fahrgeschwindigkeit aufgefallen war. Hoffmanns Glanzzeit begann in den 1930er Jahren, bereits 1934 wurde er Profi. Zahlreiche Rennerfolge folgten.
Als Berufssportler wurde Hoffmann im Zweiten Weltkrieg erst 1943 zum Militärdienst eingezogen. Nahtlos setzte er seine Karriere nach dem Krieg fort und wurde 1946 Berliner Meister, zog sich aber 1950 vom aktiven Sport zurück. Am Beispiel von Hoffmanns Laufbahn lässt sich die Professionalisierung und Popularisierung des Radsports während der NS- und später in der Nachkriegszeit nachvollziehen. Hoffmanns Glanzzeit illustrieren die Fotos der Ausstellung.
Auch der Urheber der meisten Aufnahmen ist kein Unbekannter: Max Schirner (1891–1952) zählt zu den Pionieren der Sportfotografie. Er gründete 1924 die Agentur Schirner Pressebild Berlin, die ab 1930 Sportbild Schirner hieß und eine der wichtigsten Agenturen ihrer Branche wurde.
Wer am Freitag (11. 8.) im Fahrrad-Dress ins Technikmuseum kommt, erhält freien Eintritt, Trebbiner Straße 9, www.sdtb.de
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen