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Rohingya als Täter und Opfer

Birma Weil eine kleiner Gruppe radikaler Rohingya sich jetzt gewaltsam wehrt, müssen viele andere Rohingya vor dem buddhistischen Militär nach Bangladesch fliehen

Aus Rangun Verena Hölzl

Abu Rehan kommt nicht zur Ruhe. Im Stundentakt erreichen ihn Bilder blutverschmierter Leichen aus seiner Heimat Birma, nur einen Tagesmarsch entfernt von dem Flüchtlingslager in Bangladesch, in dem er seit seiner Kindheit lebt. „Es ist wieder soweit“, sagt er und erzählt von den Flüchtlingen, die in den letzten drei Tagen vor den Kugeln des Militärs aus Birmas Teilstaat Rakhine geflohen sind.

Gewalt ist für Abu Rehan nichts Neues. Der 30-Jährige, der seinen richtigen Namen nicht in einer Zeitung lesen möchte, ist Rohingya und damit in Birma, obwohl mehrere Generationen seiner Vorfahren schon dort lebten, nicht willkommen. Die verfolgte muslimische Minderheit ist die größte staatenlose Gemeinschaft der Welt.

Was Abu Rehan beim Betrachten der grausamen Bilder zunächst noch nicht weiß: dass auch Rohingya inzwischen zu den Waffen greifen. Eine Gruppe militanter Aufständischer, die Arakan Rohingya Salvation Army (ARSA), hat Freitagmorgen über 20 Polizeiposten angegriffen.

Laut Birmas Regierung handelt es sich bei den 92 Toten um 12 Sicherheitskräfte und 80 Aufständische. 4.000 Buddhisten seien schon aus dem Norden Rakhines evakuiert worden. Ein Reporter der Nachrichtenagentur AFP beobachtete von Grenzschutzposten in Bangladesch aus, wie Birmas Militär auf fliehende Rohingya schoss. Bangladesch verweigert den Rohingya offiziell die Zuflucht.

In einem YouTube-Video sagt ARSA-Führer Ata Ullah, umringt von vier Vermummten mit Gewehren: „Unser Hauptziel ist es, unser Volk aus der unmenschlichen Unterdrückung Birmas zu befreien.“ Die Gruppe verneint jegliche Verbindung zu internationalen Terrororganisationen.

Dass inzwischen eine Gruppe aufständischer Rohingya auf den Plan getreten ist, überrascht internationale Beobachter nicht. Seit Jahrzehnten wird die Volksgruppe im mehrheitlich buddhistischen Birma verfolgt. U Kyaw Min, Vorsitzender der Democracy and Human Rights Party, der als einer der wenigen Rohingya in Birmas Metropole Rangun lebt, sagt: „Ich unterstütze die Attacke nicht, verurteile sie aber auch nicht.“

Der Angriff ereignete sich einen Tag nachdem eine von Ex-UN-Generalsekretär Kofi Annan geleitete Beraterkommission empfahl, den Anspruch der Rohingya auf Staatsbürgerschaft zu prüfen. Schon Tage vor dem Angriff warnte Chris Lewa von der Organisation Arakan Project, die sich seit Jahren mit der Situation in Rakhine beschäftigt, vor einem Gewaltausbruch im 5.000-Einwohner-Ort Zay Di Pyin. Dort sollen Buddhisten Muslime mit Zäunen daran gehindert haben, Trinkwasserquellen und Märkte aufzusuchen.

„Wir können nicht erkennen, wer ­Aufständischer ist und wer nicht“

Der Angriff auf die Polizeiposten hat nicht nur in Rakhine Spuren hinterlassen. Auf Facebook solidarisieren sich Birmesen gegen die „Terroristen“. Und Rohingya flehen die internationalen Gemeinschaft um Schutz vor dem Militär an.

Mehrere ausländische Botschaften verurteilten den Angriff der Rohingya und riefen zum Schutz der Zivilbevölkerung auf. Nach einer ARSA-Attacke im Oktober, bei der neun Polizisten zu Tode kamen, reagierte das Militär mit einer Offensive, in deren Folge 80.000 Rohingya vor Vergewaltigungen, Mord und Brandstiftung über die Grenze nach Bangladesch flohen.

Die Nachrichtenagentur zitiert einen Militär mit den Worten: „Hier werden gerade alle Bewohner zu Aufständischen, das ist eine regelrechte Revolution. Wir können nicht erkennen, wer zu den Aufständischen gehört und wer nicht.“

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