Saisonstart der Fußball-Bundesliga: Schalke 04 und der neue Positivismus

Der FC Schalke 04 feiert unter Neu-Trainer Domenico Tedesco den Neuanfang. Vizemeister RB Leipzig sieht sich auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt.

Ein Mann, Tedesco, umarmt zwei Spieler in blauen Trikots

Alles wird gut Foto: reuters

GELSENKIRCHEN taz | Eine Sache stellte Christian Heidel gleich zu Beginn klar. „Ich habe schon ein Bier getrunken, aber ich bin nicht betrunken“, sagte der Schalker Manager nach dem gelungenen Liga­start gegen Vizemeister Leipzig – und dachte zurück an den eigenen Einstieg bei den Königsblauen ein Jahr zuvor.

Damals gab’s ein 0:1 gegen Frankfurt, weitere vier Niederlagen folgten, der Fehlstart unter dem ebenfalls neuen Trainer Markus Weinzierl war perfekt. „Und jetzt das erste Spiel gegen RB. Das ist keine so schlechte Mannschaft, da kam vorher schon mal der Gedanke auf: Das kann man auch verlieren“, berichtete Heidel, der nach dem 2:0 gegen die Sachsen gestand: „Die Erleichterung ist groß.“

Schließlich ist in Gelsenkirchen mit Domenico Tedesco wieder ein frischer Coach am Werkeln – der mit der Absetzung von Klubinstitution Benedikt Höwedes als Kapitän zudem eine recht unpopuläre Personalentscheidung traf. Das aber war jetzt nebensächlich. Der 31-jährige Tedesco erklärte Höwedes’ Platz auf der Reservebank mit Trainingsrückstand, ehe er ausführte: „Für die Art, wie er trotzdem auf die Mannschaft einwirkt, braucht er keine Spielführerbinde.“ Die Schalker Fans feierten dazu eine krachende Party – in der Hoffnung, nicht um ein Strohfeuer herumgetanzt zu sein.

„Für manche sind wir wahrscheinlich schon wieder deutscher Meister“, witzelte Heidel, machte der königsblauen Anhängerschaft aber zugleich Mut: „Mein Gefühl sagt mir: Er passt zu dieser Mannschaft.“ Zur Stützung seiner These erzählte der Manager von Neu-Trainer Tedescos Umgang mit dem Team. Da stünden nicht Ansagen im Vordergrund, sondern Anfragen – bei den Profis. „Wenn er über Taktik spricht, ist es für ihn total wichtig, dass die Spieler nicht nicken oder einnicken. Stattdessen fragt er sie: Wie lösen wir das Problem?“, sagte Heidel.

Ansteckender Frohsinn

Das intensive Miteinander lebte der schmale Übungsleiter auch bei seiner Bundesligapremiere vor. Schon lange vor dem Anpfiff stand er in der Coaching-Zone – und drückte dann jeden Einzelnen so fest an seine Brust, als ginge er gleich auf eine dreijährige Weltreise. „Er hat eine hohe Sozialkompetenz, sucht mit allen das Gespräch. Danach sehnt sich der eine oder andere Spieler“, kommentierte Antreiber Leon Goretzka.

Darüber hinaus ist Tedescos Positivismus offensichtlich ansteckend: Nach seinem Elfmetertor zum 1:0 kurz vor der Pause jagte Mittelfeldmann Nabil Bentaleb in 10,5 Sekunden quer über den Platz, um die Führung mit Torhüter Ralf Fährmann, dem neuen Kapitän, zu bejubeln. Nach dem entscheidenden zweiten Treffer durch Yevhen Konoplyanka stürmte Bentaleb dann Richtung Trainerbank. Und kurz nach dem Abpfiff versammelte der Deutsch-Italiener seine Spieler schon wieder im Kreis, wo er mit leidenschaftlichen Worten auf sie einredete.

„Ich habe vieles gesagt, aber nichts korrigiert. Sondern meiner Freude einfach freien Lauf gelassen“, betonte Tedesco später. Spaß machte ihm zum Beispiel, dass Neuzugänge wie Bastian Oczipka oder Amine Harit, der das 2:0 in bestechender Manier vorbereitete, sofort zu den Besten gehörten. Oder die charakterliche Wandlung des Ukrainers Konoplyanka. Nach seiner enttäuschenden ersten Saison fiel der 27-jährige Offensivspieler noch durch deftige Kritik an Trainer Weinzierl auf, gegen Leipzig rackerte er wie alle anderen auch in der Defensive.

Die naheliegende Story vom genialen Matchplan, mit dem die Überflieger der Vorsaison ins Leere laufen gelassen und so letztlich in die Knie gezwungen wurden, relativierten die Sieger allerdings entschieden. „Wir haben den Spielplan bis ins Detail umgesetzt. Aber das ist nur das eine, das andere ist die Mentalität. Da war sich keiner zu schade, für den anderen zu kämpfen“, analysierte Keeper Fährmann. Ganz im Sinne von Domenico Tedesco, der fand: „Das war ein Sieg des Willens – da hätten wir auch mit einem 5-5-0-System spielen können.“

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