Christian Rath über DIE EUROPAPOLITIK DES BVerfG: Nicht sehr glaubwürdig, aber …
Man kann die Verfassungsrichter verstehen. Dass die europäischen Zentralbanken mal so eben Staatsanleihen für 1,5 Billionen Euro aufkaufen, um die Inflation leicht anzuheben, das klingt wirklich nicht sehr glaubwürdig. Vermutlich geht es hier tatsächlich um verdeckte Staatsfinanzierung und eine verdeckte Förderung von Banken.
Das verstößt zwar gegen die EU-Verträge, aber alle Regierungen der Eurozone wollen das so. Wenn die EZB mit offenen Karten spielen würde, könnte sie sich also durchaus auf eine ordentliche demokratische Legitimation berufen. Und wirtschaftspolitisch scheinen die EZB-Maßnahmen auch Sinn zu machen. Die Euro-Zone hat sich spürbar erholt.
Der juristisch richtige Weg wäre, die EU-Verträge entsprechend zu ändern und das Mandat der EZB auszuweiten. Doch das würde scheitern, wenn nur einer der derzeitigen 28 Mitgliedstaaten (etwa Großbritannien) blockiert. Das will im Moment niemand riskieren, verständlicherweise.
Die Verfassungsrichter, die die Einhaltung der EU-Verträge anmahnen, hätten auch eine bessere Position, wenn sie sich nicht selbst Kompetenzen angemaßt hätten, die ihnen eigentlich nicht zustehen.
Dass deutsche Euro-Skeptiker ständig nach Karlsruhe laufen können, weil sie mit der Auslegung von EU-Recht nicht einverstanden sind, ist nirgends geregelt, sondern entspringt einer arg interessensgeleiteten Auslegung des Grundgesetzes durch die Verfassungsrichter. Auch in Karlsruhe heiligt eben manchmal der Zweck die Mittel.
Immerhin haben die Verfassungsrichter das Verfahren nun dem eigentlich zuständigen Europäischen Gerichtshof (EuGH) vorgelegt. Und wenn alle vernünftig sind, gibt der EuGH der EZB ein paar neue Auflagen, die Karlsruhe dann als gerade noch ausreichend akzeptiert. Bis der Rechtsstreit entschieden ist, dürfte das Ankaufprogramm ohnehin beendet sein.
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