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Eine Brücke weniger nach Tschechien

Pleite Die Brücke/Most-Stiftung wird Opfer der europäischen Zinspolitik und fehlender öffentlicher Unterstützung

Studienreisen nach Prag gehörten zum Kerngeschäft der Stiftung Foto: David W. Cerny/reuters

von Michael Bartsch

DRESDEN taz | Der Name ist schon Programm: Wenn eine Stiftung „Brücke“, tschechisch „Most“ heißt, dann will sie gewiss auch Brücken schlagen. Zwischen Deutschen und ihren tschechischen Nachbarn war das nach 1990 wichtig, weil die sudetischen Nachkriegsvertreibungen wieder thematisiert wurden. Und auch gegenwärtig ist das Verhältnis angesichts ausbleibender Solidarität bei der Flüchtlingsaufnahme nicht ganz spannungsfrei. Dass diese in Dresden ansässige Privatstiftung nun ihre operative Arbeit einstellen muss, hat indessen nichts mit Politik zu tun. Höchstens mit der Niedrigzinspolitik der Europäischen Zentralbank, die die Kapitalerträge auf ein nicht mehr zu kompensierendes Maß schrumpfen ließ.

1997 gründete der Politikwissenschaftler Helmut Köser die gemeinnützige Stiftung in Dresden. Studenten aus Osteuropa inspirierten ihn zu diesem Schritt. Es ging ihm um eine Begleitung der Transformationsprozesse in den ehemals sozia­listischen Staaten und um die Pflege nachbarlicher Beziehungen. Das Stiftungskapital betrug anfangs nur eine Million Mark, wuchs jedoch bald auf vier Millionen Euro. Köser kaufte und sanierte auch eine als Tagungshaus geeignete Villa aus den 1920er Jahren am Elbufer.

Seit 1998 sind die in Dresden und Ústí nad Labem stattfindenden Tschechisch-Deutschen Kulturtage das Aushängeschild der Stiftung. Sie gerieten allerdings schon 2010 einmal in Gefahr, als das Tschechische Zentrum in Dresden schloss, mit dem sie gemeinsam ausgerichtet wurden. Die Stiftung betreibt Jugend- und Erwachsenenbildung, organisiert Reisen in osteuropäische Länder und hat eine Dependence in Prag. Tschechische und slowakische Studenten der Dresdner Musikhochschule wurden mit einem Stipendium gefördert.

Geschäftsführer Peter Baumann, ein ehemaliger Student Kösers, erinnert an die ursprünglichen Hoffnungen der Stifter auf eine Public-private-Partnership (PPP). Denn die Stiftung betreibt genau jene politische Bildungsarbeit, die offiziell stets beschworen wurde. Doch von der Kulturstiftung Sachsen kommt lediglich eine Projektförderung von 80.000 Euro für die Kulturtage. So blieb die Stiftung auf die eigenen Erträge und auf Spenden angewiesen. Diese Erträge aber sind von 240.000 Euro vor der Finanzkrise auf mittlerweile knapp 100.000 Euro gefallen, auch weil das Stiftungsvermögen nicht mehr so günstig angelegt werden kann wie bei auslaufenden Verträgen.

Den Mitarbeitern ist gekündigt worden. Im August enden die Veranstaltungen

Um das Engagement zu retten, hat sich Stifter Köser Ende 2016 an Ministerpräsident Stanislaw Tillich gewandt. Die offizielle Antwort ist die gleiche wie im Kunstministerium: Der Freistaat könne eine Privatstiftung nicht institutionell fördern. Hinter vorgehaltener Hand ist in der Staatskanzlei der eigentliche Grund zu vernehmen. Weil viele Stiftungen mit Ertragsverlusten kämpfen, könnte das Beispiel Brücke/Most-Stiftung Schule machen. Die Tschechisch-Deutschen Kulturtage im November sollen immerhin weiter gefördert werden. Den Mitarbeitern aber ist schon gekündigt worden, im August laufen die Veranstaltungen aus. Die Stiftung wird nur noch als Förderstiftung mit bestenfalls einer Verwaltungskraft weiter bestehen.

Geschäftsführer Baumann räumt ein, dass man in der Mischung von Kultur und Bildung möglicherweise zwischen die Förderrichtlinien geraten und insgesamt zu wenig lautstark gewesen sei, um wahrgenommen zu werden. Aber bei aller Zurückhaltung ist auch Kritik herauszuhören, dass dem Freistaat Sachsen politisch-nachbarschaftliche Bildung in der Praxis weit weniger wert sei als bekundet. In dieses Bild passt auch, dass der Landkreis Sächsische Schweiz jetzt aus der Euroregion Elbe-Labe austreten will und in Görlitz das Koordinierungsbüro der Bildungsagentur für die Polen-Kontakte geschlossen wurde.

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