piwik no script img

Schlussbild

Theater Ende der Saison im Nationaltheater Reinickendorf

Bei dem Theater-Duo Ida Müller und Vegard Vinge kann es vorkommen, dass das Theater geschlossen bleibt. Bei ihrem „12-Spartenhaus“ im Prater der Berliner Volksbühne war das so am ersten Abend. Erst von Aufführung zu Aufführung wurden die Räume geöffnet, zuletzt wurde das Theater der totalen Ekstase geboten, für das die Bühnenbildnerin Ida Müller und der Regisseur Vegard Vinge inzwischen so berühmt sind. Das Beste, hieß es fortan, kommt am Schluss.

Gut, jede Aufführung ihres neuen Werks Nationaltheater Reinickendorf, gespielt in einer Werkhalle weit draußen am Rande Berlins, war umgehend ausverkauft. Aber den Kennern war klar, dass der ganze Wahnsinn erst zur letzten Aufführung geboten werden würde. Ein 12-Stunden-Theatermarathon wurde erwartet, und so drängen bei bestem Badeseewetter bereits am Sonntagnachmittag die Besucher in das Theater, haben Proviant dabei und erwarten Großes. Die Kritiken des Stücks bislang waren einigermaßen euphorisch. Theater als Selbsterfahrungstrip, irgendwas zwischen LSD-Rausch und Albtraum, inklusive einer lebensgroßen Statue von Vinge, wie er sich in bester Vinge-Manier selbst in den Mund pinkelt, und ähnliche monströse Finessen.

Es nimmt dann alles auch recht flott Fahrt auf. In Video-Einspielungen lässt sich Vinge bald schon den Anus mit einem Dildo bearbeiten und beschmiert einen Tisch mit Kot. Da hätte man es schon ahnen können: Dieser Regisseur kackt auf die Erwartungshaltung seines Publikums. Der Vorhang geht auf, man blickt auf ein wunderbares Bühnenbild, eine Art Zauberwald. Der Vorhang schließt sich wieder. So geht das weiter. Vorhang auf, Vorhang zu. Die Leute verlassen den Saal, kommen zurück. Immer noch nichts. Es ist schwül, Stunden vergehen, die Dixie-Klos draußen stinken, der Strom für den Getränkekühlschrank fällt aus. Am Ende spielt eine Jazzmetalband, und nach nicht einmal sechs Stunden ist Schluss. Statt der totalen Verausgabung gab es von Müller/Vinge dieses Mal am Ende einfach nur die vollendete Erschöpfung. Und damit endet passenderweise nach Volksbühnen-Streit und Intendanten-Hickhack die Berliner Theatersaison 2017. ANdreas Hartmann

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen