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Der Müll in unseren Händen

Konsum Coffee to go in Einwegbechern ist eine ökologische Katastrophe. Eine Unternehmerin kämpft für Mehrwegbecher – die Politik macht dankend mit

von Jan-Peter Schulz

Morgens vor der Arbeit am Bahnhof oder beim Spaziergang durch die Innenstadt: Der Coffee to go, ein Symbol für Freiheit und Flexibilität – und für Verschwendung. Die Pappbecher verstopfen städtische Mülleimer, lange bevor die Abfallbetriebe die Säcke einsammeln. Nach Zahlen der Deutschen Umwelthilfe werfen allein die Berliner jeden Tag 460.000 Einwegbecher weg. Mischbecher aus Pappe und Kunststoff können nicht recycelt werden. Die meisten Becher werden einfach verbrannt.

Julia Post, eine 28-jährige Studentin aus München, suchte nach einer Alternative. „Eines Tages ist mir klar geworden: Julia, du hältst Müll in den Händen“, sagt sie. Warum nicht Mehrwegbecher verwenden? Post schuf also ein Logo und einen Aufkleber, auf dem „Coffee-to-go-again“ steht. Seit fast zwei Jahren tourt sie damit durch Deutschland, an über 400 Eingangstüren von gastronomischen Betrieben klebt ihr Logo. Es signalisiert, dass die Kunden eigene Mehrwegbecher mitbringen dürfen, die VerkäuferInnen fragen auch nach, ob die Kunden nicht besser einen mitbringen wollen.

Post sprach am Anfang persönlich in den Münchener Cafés und Restaurants vor. „Menschen, die in der Gastronomie arbeiten, sind keine Schreibtischleute“, erzählt Post. „Am Anfang habe ich lange E-Mails geschrieben – da kam nichts zurück.“ Mittlerweile hat sie genug damit zu tun, alle Anfragen zu beantworten und ihre Info-Pakete zu verschicken. „Es gab zwar am Anfang Bedenken, wegen der Hygiene und der Füllmenge. Aber das Herz schlägt ja doch für die Umwelt“, sagt Carsta Weinhold vom Kaffee Pausenbrot in Berlin. Im Netz gibt es eine Karte, auf der jedes Unternehmen, das ein Beweisfoto vom Aufkleber am Eingang schickt, registriert ist. Im nächsten Schritt geben Cafés dann Rabatte auf den Kaffee im eigenen Becher. Post berät auch, wie sich in Städten ein Pfandsystem etablieren lässt, damit der Mehrwegbecher aus dem einen Café im nächsten wieder abgegeben werden kann.

Finanziert hat Post ihr Projekt über Crowdfunding. Inzwischen ist sie auf dem Weg der Selbstständigkeit und berät als Social Entrepreneur andere sozial-ökologische Projekte. Ihren Job im Münchner Wahlkreisbüro eines Bundestagsabgeordneten musste die gelernte Hotelfachfrau auf Teilzeit reduzieren.

Im Mai 2017 hat Post über ihre Erfahrungen ein Buch herausgebracht: „Besser machen statt besser wissen“. Dort beschreibt sie nicht nur die Entstehungsgeschichte von Coffee-to-go-again. Der Einwegbecher wird zu einem Erklärbecher. Warum sind die Einwegbecher ein Problem für die Umwelt? Wie hängen Produktdesign und nachhaltiger Konsum zusammen? Was hat der Einwegbecher mit unserer beschleunigten Gesellschaft zu tun? Zugleich thematisiert Post die Kluft zwischen Wissen und dem eigenen Verhalten.

„Mir geht es nicht nur darum, Bewusstsein für das Thema zu schaffen. Mir geht es auch darum, die Rahmenbedingungen zu ändern und politischen Einfluss zu nehmen“, sagt Post. „Daher bezeichne ich mich auch immer öfters als Political Entrepreneur.“

„Mein Aufkleber ist ein einfaches, optisches Signal“

Julia Post

Durch ihr Engagement ist das Thema auch im Münchener Stadtrat intensiv diskutiert worden. Die Stadt startet im Herbst 2017 eine 700.000 Euro starke Zwei-Jahres-Kampagne, um die Pappbecherplage einzudämmen. Neben Posts Initiative gibt es eine ganze Reihe Unternehmen, die ähnliches planen, etwa das Start-up Recup.

Seit 2016 leitet das hessische Umweltministerium die Initiative „Becher Bonus“, in der 3.600 Filialen von Unternehmen wie Tchibo, McDonald’s und Starbucks freiwillig einwilligen, Mehrwegbecher anzunehmen. Zusätzlich verpflichten sich die Unternehmen dazu, Rabatte für den Kaffee im eigenen Becher zu geben. Im Bordrestaurant der Deutschen Bahn gibt es das Heißgetränk etwa für 20 Cent weniger.

„Meine Schwelle ist etwas niedriger“, sagt Post. „Mein Aufkleber ist ein einfaches, optisches Signal: ‚Bring deinen Becher einfach mit!‘“

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