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Kunst von Ikea

Hochschule Rundgang in der Universität der Künste: Da geht es oft um die Frage nach dem Markt und ob man mit ihm spielen kann. Man sieht, die künstlerische Hochzeit von Ironie und Post-Internet dauert an

Ein entschleunigter Moment beim Rundgang, zwischen Skulpturen der Studierenden Foto: Nikolas Brummer

von Donna Schons

Circa drei bis fünf Prozent: Das ist die Zahl an Kunstakademie-Studenten, die es nach ihrem Abschluss schaffen, von ihrer Kunst gut leben zu können. Sie geistert bei jedem Rundgang in der Universität der Künste (UdK), wenn alle Klassen sich vor der Sommerpause präsentieren, durch die Hallen.

Zum ersten Mal fällt sie im Vortrag von Wolfgang Ruppert, der seit fast 30 Jahren an der UdK Berlin lehrt und sich fast genau so lange mit der Frage beschäftigt, was genau einen Künstler eigentlich ausmacht. Zum Rundgang vergleicht er Künstlerbilder des 20. Jahrhunderts exemplarisch mit den Werken von Ree­na Spaul­ings. Spaul­ings ist ein fiktives Konstrukt, hinter dem sich eine Maschinerie an unbekannten Künstlern versteckt, und das in seiner minutiös geplanten Selbstvermarktung die Grammatik der postmodernen Gesellschaft perfekt aufgreift.

Die ausgedachte Künstlerin

Für Ruppert ist die ausgedachte Künstlerin damit der Prototyp des Künstlers im 21. Jahrhundert. Während gerade in der Moderne noch eine schwer zu vereinende Spannung zwischen dem Künstlerhabitus und den gesellschaftlichen Ideen davon, wie ein erfolgreicher Künstler auszusehen habe auf der einen und der Markt-unabhängigen Individualität des Künstlers auf der anderen Seite herrschte, werden der Künstlerhabitus und die mit ihm zusammenhängenden Marktmechanismen im postmodernen, ironischen Zeitalter ganz einfach zum Mittelpunkt der Arbeit gemacht. Klar, dass diese Entwicklung angesichts der unheilvollen drei bis fünf Prozent auch in die Universität der Künste Einzug gehalten hat.

Ähnlich wie Spaulings nehmen Nicole Hauck, Jamilia Barskat und Laura Hatting eine falsche Identität an. Verborgen unter Perücken und dem Decknamen „Better Know Your Value“ bieten sie Besuchern die kostenfreie Dienstleistung an, ihren persönlichen Kunstwert ausrechnen lassen. Nach der Beantwortung einiger Fragen bezüglich Beschäftigung, Körpergröße und ideeller Orientierung erfährt man dann per SMS, mit welchem zeitgenössischen Künstler der eigene Marktwert vergleichbar ist.

Depression und Chipstüte

Andere setzen auf die Reproduktion von ironiedurchzogenen Internetphänomenen und Memes und brechen dabei bewusst mit dem Ideal des originellen Werks. Das Künstlerkollektiv itsthevibe schließt sich dem Trend an, Kleidungsstücke aus Ikea-Taschen zu fertigen, der vor einigen Monaten aus den Kontroversen um einen Balenciaga-Shopper erwuchs. Auraine Jaillet zeigt auf einem rosafarbenen Einzelbett thronend ein Kissen, auf das sie ein „Depressed 19 Year Old Art Student Starter Pack“ gestickt hat, inklusive Motive, die zum jung und depressiv sein dazugehören, wie Instagram-Icon und Chipstüte.

Zuhauf findet man pastellfarbene, figurativ-comichafte Malereien und Zeichnungen. In ihnen überspitzen die jungen Künstler das Gefühl der Traurigkeit ins Absurde, da prangern krakelige Schriftzüge wie „Melancholia“ oder „Me, Throwing Away My Life“ über Bildern von Tränenpfützen.

Er hat für sein „Ritual des Loslassens“ das Baumhaus seiner Kindheit verbrannt

Die warenförmig-glattgebügelte Ästhetik der Post-Internet-Bewegung, die man letztes Jahr auf der Berlin Biennale bewundern konnte, hat ebenfalls Einzug in die UdK gehalten. Roman Frechen malt für seine Abschlussarbeit Manga-Figuren im Ultra-Hochglanz, Thomas Ecke setzt sich in einem Turm aus Plexiglasmodellen, neonfarbenen iPhone-Nachbildungen und Fitnessclub-Mitgliedschaftskarten mit dem Porno-Phänomen Cumshots auseinander und verweist dabei auf die schnelllebige, queere Dating-Kultur seiner Generation.

Wasser in die Flüsse

Wenn hin und wieder eine politische Botschaft auftaucht, dann auch stets unter dem schützenden Mantel der Ironie. Im Institut für Kunst im Kontext zeigt Martin Binder anhand fiktiver Stadtmöbel, wie Diskriminierung im öffentlichen Raum funktioniert. Eine Gruppe Studenten der Klasse von Josephine Pryde hat für die Land-Art-Ausstellung der Klasse unter dem Titel DECAP ein bewusst verklärt-naives Manifest auf Pflanzenbeutel von Ikea gedruckt und die dazugehörigen Handlungen gleich ausgeführt und fotografisch festgehalten: Auf barock anmutenden Fotos schütten sie den Inhalt von Wasserplastikflaschen zurück in Flüsse und Seen und lassen in der Zoohandlung gekaufte Würmer in der Natur frei.

Bei all der Ironie tut dann ein wenig ernsthafte Entschleunigung ganz gut. Die findet man zum Beispiel bei Konrad Kowitz, der im Nebenfach Chemie studiert und 50 Liter Blut zu einem winzig kleinen Eisenbarren verarbeitet hat. Oder bei Adrian Gutzellig, der für sein „Ritual des Loslassens“ das Baumhaus seiner Kindheit verbrannt hat und neben der Asche, inmitten des Rundgang-Trubels, ruhig und konzentriert dasitzt und in einem sehr langsamen Prozess Tusche anrührt.

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