Katharina Schipkowski über die angedrohte Räumung der Roten Flora: Kriegserklärung der SPD
Nicht nur in der Politik, auch in der linken Szene ist der Bedarf an Aufarbeitung groß. Vieles, was vor und während der G20-Proteste passiert ist, muss kritisch hinterfragt und diskutiert werden. Das Hamburger Kulturzentrum Rote Flora stellt sich dem Dialog und sucht gezielt das Gespräch mit Anwohner*innen und Aktivist*innen.
Die SPD hingegen sucht nicht das Gespräch und interessiert sich auch nicht dafür. Stattdessen kommt sie mit der Räumungskeule. Mit der Drohung, Deutschlands letztes besetztes Kulturzentrum wegen der G20-Krawalle zu räumen, erklärt sie der linken Szene den Krieg. Gewaltszenen des Ausmaßes der Gipfelproteste kalkuliert sie dabei ein, nach dem Motto „Die letzte Schlacht gewinnen wir“. Die SPD agiert damit aggressiver, kurzsichtiger und verantwortungsloser als die Autonomen.
Die Sozialdemokraten argumentieren, die Flora hätte die Infrastruktur für die Protestierenden zur Verfügung gestellt. Das musste sie auch, schließlich hatte Hamburgs SPD-Innensenator frühzeitig angekündigt, dass er keine Protestcamps dulden würde. Aber wer einen Gipfel in die Großstadt holt, kann nicht gleichzeitig die Infrastruktur für den Protest zerschlagen und von Demokratie reden.
Eine alternative Infrastruktur bereitzustellen war schon immer eine zentrale Funktion linker Zentren. Nicht nur für Großereignisse, sondern auch im Alltag. Man kocht für Leute, die man nicht kennt, tauscht Klamotten, statt sie wegzuschmeißen, und repariert Sachen, statt sie neu zu kaufen.
Selbstverwaltete Räume ermöglichen politische Auseinandersetzungen und niedrigschwellige Wissensweitergabe, sie schaffen Angebote, die in der konsumorientierten Leistungsgesellschaft fehlen. Eine Stadt ohne solche Räume wäre ziemlich arm.
Die Rote Flora zu räumen wird ein langer, schmerzhafter Prozess, an dessen Ende nur Verlierer*innen stehen. Die letzte Schlacht gewinnt ganz sicher nicht die SPD.
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