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Die Spur führt über den Neffen zum Onkel zum Täter

GentestsBundestag erlaubt Vergleich von Tatortspuren mit Verwandten dritten Grades

Gesucht werden dürfen auch Groß­eltern, Kinder und Enkel des Täters

KARLSRUHE taz | Bei Massengentests darf die Polizei künftig auch nach Verwandten des Täters suchen. Das hat der Bundestag Ende Juni beschlossen. Die Suche nach sogenannten Beinahe-Treffern wird damit legalisiert.

Die Änderung hat einen konkreten Anlass. 2010 wurde eine 27-jährige Frau in Dörpen (Emsland) vergewaltigt. Wichtigste Spur war ein Blutfleck, den der Täter auf dem T-Shirt des Opfers hinterlassen hat. Die Frau beschrieb den Täter als etwa 25-jährig. Deshalb forderte die Polizei alle 18- bis 40-jährigen Männer der Gegend zur freiwilligen Abgabe einer Speichelprobe auf. 2.406 Männer nahmen teil – nicht aber der Täter, der erst 16 war.

Allerdings fielen der Polizei zwei Beinahe-Treffer auf. Hier ähnelte das DNA-Muster der Tatortspur so sehr, dass es sich um Verwandte des Täters handeln musste. Tatsächlich hatten Vater und Onkel des 16-Jährigen am Test teilgenommen. Da der Jugendliche nun als verdächtig galt, ordnete ein Richter eine gezielte Speichelprobe an, die dann seine Täterschaft belegte. Er wurde vom Landgericht Osnabrück zu einer Jugendstrafe von fünf Jahren verurteilt.

Der BGH entschied 2012 jedoch, dass die Suche nach Beinahe-Treffern eigentlich illegal war, denn die Strafprozessordnung erlaubte damals nur die Suche nach dem Täter. Im Dörpener Fall durfte der Beinahe-Treffer dennoch verwertet werden, weil die Rechtslage unklar war.

CDU/CSU und SPD kündigten schon 2013 in ihrem Koalitionsvertrag an, dass sie die Suche nach Beinahe-Treffern legalisieren wollen. Vier Jahre später wurde das Versprechen nun umgesetzt. Die Neuregelung findet sich im „Gesetz zur effektiveren und praxistauglicheren Ausgestaltung des Strafverfahrens“. Öffentlich ging die Neuregelung der Massengentests unter, weil die Koalition in diesem Gesetz kurzfristig auch den Einsatz von Hackersoftware (Staatstrojanern) zur Strafverfolgung erlaubte. Künftig kann auch verglichen werden, ob die Tatortspur von „Verwandten in gerader Linie oder in der Seitenlinie bis zum dritten Grad“ stammt. Gesucht werden dürfen also auch Eltern/Großeltern und Kinder/Enkel des Täters sowie Geschwister, Nichten/Neffen und deren Kinder.

Ob die Neuregelung wirklich die Aufklärung von Verbrechen erleichtert, wird sich zeigen. Denn zugleich könnte die Teilnahme an freiwilligen Massengentests zurückgehen. Das ist auch der Bundesregierung bewusst. Einer Verweigerung am Massentest könnte „künftig auch der Wunsch zugrunde liegen, keine Verwandten ‚ans Messer liefern‘ zu wollen“, heißt es in der Begründung des Gesetzentwurfs.

Weiterhin verboten ist die Auswertung von Tatortspuren auf äußere Merkmale. Mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit könnte inzwischen festgestellt werden, ob der Spurenleger blond war, dunkle Augen hatte und aus Australien stammt. Der Bundesrat wollte dies ausdrücklich erlauben. Auch die rechtspolitischen Sprecher von SPD und CDU/CSU sprachen sich in der Parlamentsdebatte dafür aus. „Wir hätten gern auch noch die DNA-Analyse in Bezug auf Merkmale wie Augenfarbe und Hautfarbe aufgenommen“, sagte Winkelmeier-Becker von der Union, „aber dazu sah sich das Justizministerium leider nicht in der Lage.“ Minister Heiko Maas (SPD) hat die Vorlage eines Gesetzentwurfs bisher nur für „denkbar“ erklärt.

Christian Rath

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