Flüchtlingspakt

Noch immer sterben Tausende Flüchtlinge bei dem Versuch, in die EU zu gelangen. Was muss geschehen, damit sie gerettet werden?

Schmaler Anteil

Mittelmeer Nur 12 Prozent der Rettungen erfolgen durch die europäische Marine

BERLIN taz | Von Jahresbeginn bis zum 21. Juni wurden etwa 72.000 Menschen im zentralen Mittelmeer aus Seenot gerettet und nach Italien gebracht – knapp ein Drittel mehr als im Vorjahr. Im selben Zeitraum ertranken mindestens 2.100 Menschen, das ist ein Rückgang von etwa 18 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum. Wem ist diese Entwicklung zu verdanken?

Den Schiffen der vor Ort kreuzenden EU-Militärmission EUNAVFOR MED offenbar nicht. Das jedenfalls ergibt sich aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Linksfraktion. Sieben große Militärschiffe – darunter der Bundeswehr-Tender „Rhein“ – und sechs Flugzeuge und Hubschrauber hat die Mission aktuell vor Libyen im Einsatz. Insgesamt rettete sie in diesem Jahr bislang 7.181 Menschen im Mittelmeer aus Seenot – also 12,2 Prozent. Im Vorjahr entfielen noch 14,6 Prozent (23.577) auf die EU-Militärmission. Die große Mehrheit aller Seenotrettungen im zentralen Mittelmeer erfolgt somit durch das mittlerweile knappe Dutzend ziviler NGOs und durch private Handelsschiffe.

Leben retten ist nicht der Auftrag von EUNAVFOR MED. Der lautet: Schlepper bekämpfen. Gleichwohl betont die EU immer wieder, mit der Mission auch einen Beitrag gegen das Flüchtlingssterben zu leisten. Seit Oktober 2015 läuft die Mission. Am Donnerstag wird der Bundestag über die Verlängerung der deutschen Beteiligung an dem Einsatz abstimmen.

„Die EU setzt aktuell darauf, dass eine immer größere Zahl von Rettungen durch libysche Schiffe erfolgt, um die Aufgegriffenen nach Libyen zurückzubringen, wo ihnen schwerste Menschenrechtsverletzungen, Misshandlung, Folter und Tod drohen“, sagt Ulla Jelpke von der Linksfraktion. Sie vermutet, dass die EU sich zunehmend von der Rettung vor Libyen zurückziehen will. So solle das Verbot der Zurückweisung nach Nordafrika für EU-Schiffe umgangen werden, glaubt Jelpke.

Beim EU-Gipfel letzte Woche in Brüssel hat die EU genau dies beschlossen: Frankreichs Präsident Emanuel Macron erklärte, dass die EU die libysche Grenzpolizei und Küstenwache unterstützen wolle. Die EU wolle damit erreichen, dass die libysche Küstenwache nicht seetaugliche Flüchtlingsboote frühzeitig abfängt und zurückschickt.

Christian Jakob