: Einmal Schimpfe für 900 Euro
VERURTEILUNG Die Polizei bekämpft in St. Pauli Drogenkriminalität. Ins Visier der Ermittler kommen aber auch Anwohner, denen mit Anklagen und Platzverweisen gedroht wird
Das Landgericht Hamburg hat am Mittwoch das Urteil gegen Heike K. wegen Beleidigung eines Polizisten im Berufungsverfahren bestätigt. In der Vorinstanz war die Angeklagte als schuldig befunden worden, den Polizisten Finn J. im August 2016 als „Scheiß Wichser“ bezeichnet zu haben. Sie wurde daraufhin zu einer Geldstrafe von 30 Euro à 30 Tagessätzen verurteilt.
Der 25-jährige J. suchte im vergangenen Jahr eine flüchtige Person in der Bernhard-Nocht-Straße in St. Pauli. Er rannte mit einer Kollegin an der Verurteilten und ihrer Begleitung in der Hafenstraße vorbei, die zusammen laut „Achtung, Bullen“ riefen. J. und seine Kollegin ignorierten dies zunächst. Beamter J. und Verurteilte K. trafen kurz danach wieder in der Hafenstraße aufeinander. K. fragte den Polizisten, ob er sie nicht kontrollieren wolle, weil sie nicht schwarz sei. Danach ging sie mit ihrer Begleitung in Richtung einer Kneipe und rief im Weggehen laut „Scheiß Wichser“.
Die Angeklagte behauptete, dass dies nicht an den Polizisten gerichtet gewesen sei, sondern ein Streit zwischen ihr und ihrer Begleitung gewesen wäre. Die Richterin lies sich davon nicht überzeugen. J. sagte aus, dass er keinen Streit zwischen K. und der zweiten Person feststellen konnte. Das laut gerufene „Scheiß Wichser“ interpretierte er wegen der vorherigen Aussage als an ihn gerichtet. Er gab aber zu, dass er den Inhalt des Gesprächs zwischen K. und ihrem Freund nicht verstehen konnte.
Verteidigerin Daniela Hödl merkte an, dass es ungewöhnlich ist, jemanden ohne Vorstrafen bei einer einzelnen Beleidigung vor ein Gericht zu bringen. Es sei unklar, ob J. tatsächlich angesprochen wurde. „So ein Fall wird normalerweise eingestellt“, sagte sie nach der Verhandlung.
Die Verurteilte verlas am Ende der Verhandlung eine längere Erklärung, in der sie auf Rassismusprobleme in der Polizei und der seit April 2016 in St. Pauli operierenden Task Force Drogen hinwies. Sie kritisierte die Härte, mit der Polizisten gegen Schwarze bei Kontrollen vorgingen. Anwohner, die sich solidarisch zeigten, würden von der Polizei eingeschüchtert. „Es rieselt Anzeigen gegen AnwohnerInnen, es werden Platzverweise ausgesprochen“, las K. vor. Sie wünschte, dass in der Ausbildung von PolizistInnen Racial Profiling thematisiert wird. Philipp Steffens
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen