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Selbst Maduro geht dieser Krawall zu weit

Venezuela Ein Mob stürmt in Caracas am Unabhängigkeitstagdas Parlament und verprügelt oppositionelle Abgeordnete

Ein Regierungsanhänger schlägt vor dem Plenarsaal um sich Foto: Andres Martinez Casares/reuters

aus Buenos Aires Jürgen Vogt

Prügelszenen in der Nationalversammlung haben am Mittwoch Venezuelas Unabhängigkeitstag überschattet. Während die Regierung ihre Anhängerschaft zur großen Militärparade mobilisierte, versammelte sich die politische Opposition zu einer Sondersitzung in der Nationalversammlung. Die Bilder des Tages lieferten blutüberströmte Abgeordnete.

Während das Parlament tagte, stürmten rund 100 teils vermummte Angreifer in die Gärten um den Plenarsaal. Sie zündeten Feuerwerkskörper, warfen Steine und droschen mit Stöcken um sich. Es kam zu einer wilden Schlägerei. Einige der Angreifer prügelten sich bis in den Plenarsaal durch. Zahlreiche Menschen wurden verletzt. Nachdem die Eindringlinge hinaus gedrängt werden konnten, begannen sie mit einer rund siebenstündige Belagerung des Parlaments.

Unklar ist, ob es sich um eine spontane Aktion oder einen geplanten Angriff gehandelt hat. Täglich versammeln sich Regierungsanhänger auf der Plaza Bolívar in der Nähe der Nationalversammlung. Sie betrachten das Gebiet als No-go-Area für Oppositionsanhänger. Bisher wurde jede oppositionelle Protestaktion dort von Polizei und Nationalgarde gestoppt. Die sonst so omnipräsente Nationalgarde hielt sich an diesem 5. Juli auffallend im Hintergrund. Erst am späten Nachmittag schritt sie ein und beendete die Belagerung. Während die Opposition die Regierung für das Geschehen verantwortlich machte, verurteilte Präsident Nicolás Maduro den Angriff und forderte Aufklärung über die „seltsamen Ereignisse, immer seltsam, dort wo die Opposition ist“.

Zur angespannten Atmosphäre hatte mit Sicherheit der Auftritt von Vizepräsident Tareck El Aissami beigetragen. Er war am Mittwochmorgen mit mehreren ranghohen Militärs und Anhängern überraschend vor dem Gebäude der Nationalversammlung erschienen, um die traditionelle Ehrenbezeugung vor der Urkunde der Unabhängigkeitserklärung abzugeben. Das historische Dokument ist in einem Nachbarsaal des Plenums ausgestellt. Niemand hatte mit dem Auftritt eines Mitglieds der Exekutive gerechnet. „Wir sind im Sitz einer Staatsgewalt, die von derselben Oligarchie in Geiselhaft genommen wurde, die schon (Simón) Bolívar und seine Anliegen verraten hat,“ sagte El Aissami in die Mikrofone. Danach waren bereits die ersten Drohrufe zu hören.

In einer bei Twitter eingestellten Videobotschaft übernahm Oswaldo Rivero die Verantwortung für die Erstürmung. Rivero, bekannt unter dem Pseudonym Cabeza de Mango (Mangokopf) bekannt, ist Moderator provokativer Medienformate und gilt als regierungstreu. Was man sieht, ist ein sich filmender Rivero, der offensichtlich nach der Attacke durch die Straßen vor dem Parlament geht. „Wir übernehmen die historische Verantwortung für unser Handeln, uns hat niemand hierher geschickt.“ Gerichtet sei die Aktion gegen „die, die Essen verstecken, die Terrorakte verüben, die gegen das Volk handeln, die plündern, die Feuer legen und Randale machen“.

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