: Prozess gegen „U-Bahn-Treter“ vertagt
Justiz War der Angeklagte zur Tatzeit voll schuldfähig? Das Gutachten dazu verzögert sich
Das mit Spannung erwartete psychiatrische Gutachten über den sogenannten U-Bahn-Treter verzögert sich. Die Anwälte des 28-Jährigen beantragten am Montag vor dem Landgericht der Hauptstadt einen Ausschluss der Öffentlichkeit während der Vernehmung des Sachverständigen. Die Verhandlung wurde daraufhin auf Donnerstag vertagt. Bis dahin wollen die Richter über den Antrag entscheiden. An dem bislang letzten Prozesstag könnte es auch noch zum Urteil kommen, kündigte das Gericht an.
Dem 28-jährigen Angeklagten wird vorgeworfen, eine Passantin mit einem wuchtigen Tritt in den Rücken eine Betontreppe heruntergestürzt zu haben. Die 26 Jahre alte Studentin war mit dem Gesicht voran auf den Bahnsteig geknallt. Sie erlitt einen Armbruch und eine Platzwunde am Kopf. Der Angriff vom U-Bahnhof Hermannstraße in Neukölln im Oktober 2016 hatte bundesweit Empörung ausgelöst.
Der aus Bulgarien stammende Angeklagte hatte zu Prozessbeginn vor einer Woche gestanden und um Entschuldigung gebeten. Er sei der Mann auf dem von der Polizei verbreiteten Video einer Überwachungskamera, erklärte der Angeklagte über seine Verteidiger. Er sei aber berauscht gewesen und könne sich an das Geschehen nicht erinnern.
„Die Frau kannte ich nicht“, ergänzte er am dritten Verhandlungstag seine Angaben. Er habe mit seinen Begleitern vor dem Angriff verschiedene Drogen, darunter Crystal Meth, sowie Alkohol konsumiert. Er habe damals „jeden Tag um die fünf Joints geraucht“. Berauscht habe er die „Probleme des Alltags wie keine Arbeit, kein Geld für Miete“ vergessen können.
Der Angeklagte ist im Dezember festgenommen worden, als er mit seiner Ehefrau auf dem Zentralen Omnibusbahnhof aus Frankreich ankam. Kurz zuvor hatte die Polizei bei der Öffentlichkeitsfahndung Aufnahmen der Überwachungskameras veröffentlicht. Die Verteidiger erklärten nun, ihr Mandant habe sofort Tickets für die Rückfahrt gekauft, als er von Verwandten auf die Bilder im Internet hingewiesen worden war.
Der Hauptvorwurf gegen den dreifachen Familienvater und Bauhelfer lautet auf gefährliche Körperverletzung. Ihm drohen damit bis zu zehn Jahre Gefängnis. Zudem wurden ihm zunächst zwei exhibitionistische Handlungen zur Last gelegt. Zwei Wochen vor der Attacke im U-Bahnhof soll er sich vor Frauen entblößt haben. Zu diesen mutmaßlichen Taten hat der Angeklagte geschwiegen. Einen Fall stellte das Gericht auf Antrag der Staatsanwaltschaft am dritten Prozesstag ein. (dpa)
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