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Noch ist nichts gewonnen

Ehe für alle Die Unionsfraktion möchte die Abstimmung verhindern. Rechtsfragen sind ebenfalls offen

BERLIN taz/rtr/dpa | Trotz aller Euphorie: Noch ist die Ehe für alle nicht Gesetz, auch wenn die Chancen gut stehen. Mit Ausnahme der CDU/CSU-Fraktion wollen alle im Bundestag vertretenen Parteien für die uneingeschränkte Gleichstellung homosexueller Lebenspartnerschaften stimmen. Doch die Union könnte sich noch als Spielverderberin erweisen.

Zwar hat die Bundeskanzlerin den Fraktionszwang für die Abstimmung über das Gesetz aufgehoben – jeder Abgeordnete kann deshalb selbst entscheiden, ob er dem Gesetz zustimmen möchte. Doch das gilt nicht für die Abstimmung über die Tagesordnung. Laut einem Bericht der Süddeutschen Zeitung will die Unionsfraktion ihre Mitglieder mobilisieren, die Abstimmung von der Tagesordnung fernzuhalten.

In der Union fühlen sich viele vom Vorstoß der SPD überrumpelt, die Ehe für alle kurzfristig bereits am Freitag zur Abstimmung zu stellen. Vor allem in Teilen der CSU mehren sich kritische Stimmen. „Normalerweise ist das ein Koalitionsbruch“, sagte Parteichef Horst Seehofer der Augsburger Allgemeinen. Er empfinde es als „unwürdig“, dass die SPD das Projekt auf die Tagesordnung setze und eine parteipolitische Auseinandersetzung im Wahlkampf suche.

Sollte die Union mit ihren 309 Abgeordneten geschlossen dagegen stimmen, die Gesetzesvorlage zur Abstimmung auf die Tagesordnung zu setzen, müssten die Mitglieder der anderen Fraktionen geschlossen dafür stimmen. Grüne, Linke und SPD verfügen gemeinsam über 320 Mandate. Wenn beim Votum zur Tagesordnung nur wenige Gleichstellungsbefürworter fehlen, wäre die Abstimmung vertagt – womöglich bis nach der Bundestagswahl.

Auch rechtliche Bedenken könnten der Ehe für alle noch entgegenstehen. Justizminister Heiko Maas (SPD) bekräftigte zwar am Donnerstag seine Auffassung, eine Grundgesetzänderung sei nicht nötig, im unionsgeführten Innenministerium sieht man das jedoch anders. Nach ständiger Auslegung des Bundesverfassungsgerichts umfasse Artikel sechs des Grundgesetzes die Ehe zwischen Mann und Frau, sagte der Parlamentarische Staatssekretär Günter Krings (CDU), der Zeitung Die Welt.

Eine Gruppe Unionsabgeordneter erwägt sogar rechtliche Schritte. „Wir prüfen, ob ein Antrag auf abstrakte Normenkontrolle beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe wegen Unvereinbarkeit des Gesetzes mit Artikel sechs des Grundgesetzes eingereicht wird“, sagte der Justiziar der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Hans-Peter Uhl (CSU), dem Tagesspiegel. Ein letzter Stolperstein für die Ehe für alle.

Jörg Wimalasena

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