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Nicht bloß bunter Protest

G 20 Der Gipfel in Hamburg wirft auch in Berlin seine Schatten voraus. Auftakt der Proteste ist eine Demo gegen die Partnerschaftskonferenz mit Afrika am Samstag

Bald ist G 20: Farbanschlag auf das Haus der Deutschen Wirtschaft im Juni Foto: F oto: Björn Kietzmann

von Erik Peter

Der Höhepunkt der deutschen G-20-Präsidentschaft – das Gipfeltreffen der Staats- und Regierungschefs – findet zwar in Hamburg statt. Doch auch Berlin wird bis zu dem Großevent am 8. und 9. Juli zu einem wichtigen Schauplatz. Immer lauter werden etwa die Gerüchte, dass US-Präsident Donald Trump, der in Hamburg kein Hotel findet, samt seiner Entourage im Berliner Hotel „Intercontinental“ absteigen wird.

Und auch für Berlins linke Szene sind das Gipfeltreffen sowie dessen Vorbereitungsveranstaltungen der Jahreshöhepunkt im Protestkalender. Im Straßenbild mehren sich die Plakate, Aufkleber und Graffiti, die zum Protest gegen das Treffen mobilisieren. In einem eigenen Protestbüro in der Kreuzberger Admiralstraße werden Materialien verteilt und Bustickets verkauft. Bereits seit Montag laufen die „Berliner Aktionstage gegen die Welt der G 20“.

Im Fokus dieser anderthalb Wochen voller Veranstaltungen und Aktionen, von Videokundgebungen über Fahrradrallyes bis hin zu einer Bootstour, steht die „Afrika-Partnerschafts-Konferenz“, die am Montag und Dienstag im Schöneberger Gasometer stattfinden wird. Während Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) vor dem Treffen mit ausgewählten afrikanischen Staatschefs von einem „Marshallplan mit Afrika“ spricht, kritisieren die G-20-Gegner die Zielrichtung der Veranstaltung. Statt um eine Partnerschaft auf Augenhöhe gehe es um eine weitere Erschließung afrikanischer Märkte zum Nutzen „der deutschen Industrie und Kapitalgesellschaften“. Der Vorbereitungskreis der Proteste schlussfolgert: „Damit ist ein neuer Wettlauf um Afrika absehbar.“

Ein weiteres zentrales Thema ist die Verlagerung der europäischen Außengrenzen nach Afrika, etwa durch Abschluss von immer neuen Kooperationsvereinbarungen mit afrikanischen Staaten zur Grenzsicherung. „Wenn ich ein Turnschuh wär, käm’ ich über euer scheiß Mittelmeer“, heißt dann auch das Motto der Auftaktdemonstration gegen die Partnerschaftskonferenz am Samstag. Für den Montag sind weitere Proteste direkt vor dem Gasometer angekündigt.

Dass die Szene es dabei bei symbolischem Protest belässt, ist nicht ausgemacht. Auf der linken Internetseite Indymedia kursiert ein Aufruf, der zu „einer dezentralen militanten Kampagne anregen“ will. Nur zum Gipfel nach Hamburg fahren, reiche nicht aus, stattdessen gehe es darum, sich schon jetzt „zu zeigen“, in den Alltagskämpfen, etwa gegen Mietsteigerungen oder der bevorstehenden Räumung des linken Kiezladens Friedel 54.

Zwar mobilisieren auch die Linkspartei, die einen eigenen Bus stellt, sowie zivilgesellschaftliche Gruppen nach Hamburg. Doch am aktivsten ist die linksradikale Szene. Autonome Vollversammlungen, aber auch Großgruppen wie die Interventionistische Linke oder TOP Berlin arbeiten seit Monaten an dem Thema.

In Hamburg schwebt derweil die Zahl von 8.000 gewaltbereiten Linksextremen im Raum, die zu den Aktionstagen erwartet werden – ein erklecklicher Teil davon dürfte aus Berlin kommen. Der Staatssekretär des Innensenators, Torsten Akmann, sprach zuletzt im Verfassungsschutzausschuss von der „größten Herausforderung für Sicherheitsbehörden im Bereich Linksextremismus der letzten zehn Jahre“ und von der „engen Verbindung der autonomen Szene in Hamburg und Berlin“.

„Die größte Herausforderung für Sicherheitsbehörden der letzten zehn Jahre“

Torsten Akmann, Innenstaatssekretär

Die Berliner Polizei wird unbestätigten Angaben zufolge mit 3.000 Beamten zur Unterstützung nach Hamburg fahren. Ein Sprecher sagte der taz: „Wenn Trump hier übernachten sollte, müssen unsere Sicherheitsmaßnahmen dementsprechend angepasst werden“. Dann würden mehr Polizisten in Berlin verbleiben.

Schon jetzt kommt es vermehrt zu Propagandaaktionen – laut polizeilicher Statistik, Straftaten wie Graffiti, Farbbeutelanschläge oder Brandstiftungen. 239 Fälle bundesweit wurden gezählt. Die Berliner Polizei hat bisher 24 Aktionen registriert, darunter 18 Sachbeschädigungen, fünf Brandstiftungen und eine schwere Brandstiftung.

Eines der prominentesten Zeichen lässt sich seit einigen Wochen im Neuköllner Körnerpark betrachten. Passend zum Motto der autonomen Abenddemo, die am Donnerstag vor dem Gipfel durch Hamburg ziehen soll, steht dort „G 20 to hell“ auf dem Rasen, eingebrannt mit hochkonzentrierter Essigsäure. Mangels Geld für einen Rasenaustausch will der Bezirk „Gras über die Sache wachsen lassen“, wie Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) mitteilte.

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